Myzel-Menü: Wer die Welt retten will, sollte Pilze essen
Das Pilzfleisch ist außerordentlich gesund, enthält viele Proteine, Aminosäuren und Ballaststoffe - und ist vor allem effizienter und nachhaltiger als das tierische Original. Ist das die Zukunft?
Text: Alexandra Turner
So eine schöne Champion-Rahm-Pfanne klingt nach einem soliden Abendessen, aber irgendwie auch nicht besonders innovativ. Langweilig. Wer wissen will, mit was für kulinarischen Wundern das Königreich der Pilze sonst noch so aufzuwarten hat, muss die unsern Orts tief verwurzelte Landgasthofmentalität abschütteln und Neues probieren.
Von den rund drei bis vier Millionen Pilzen, die es weltweit vermutlich gibt, sind immerhin 350 als essbare Sorten identifiziert. Einen davon sollten vor allem Geflügelliebhaber mal genau unter die Lupe nehmen: Der Gemeine Schwefelporling klingt leider nur im Englischen als „Chicken of the Woods“ so deliziös, wie er eben ist.
Der Gemeine Schwefelporling
Der Baumpilz ist ein Parasit und weltweit, ergo auch an heimischen Laubbäumen zu finden. Wer zur Erntezeit, zweimal im Jahr im Frühsommer und Herbst, einen entsprechenden Fund macht, kommt meist mit mehreren Kilogramm heim.
Wer weniger suchen, dafür mehr essen möchte, ist aufs Kaufen angewiesen. Zum Glück gibt es für die Umami-Gelüste des modernen Großstadtnomaden derweil ein wachsendes Angebot an Fleischersatzprodukte aus Pilz-Myzel.
Käse, Pizzateig und Bier basieren ebenfalls auf Pilzen
Das Pilzfleisch ist außerordentlich gesund, es enthält viele Proteine, Aminosäuren und Ballaststoffe. Das Wichtigste aber: Es ist viel effizienter und nachhaltiger als das tierische Original. Für die gleiche Menge Protein aus Pilzen wird bei Rindfleisch zehnmal, bei Hühnerfleisch doppelt so viel Wasser verbraucht, von anderen Ressourcen wie Energie oder Platz ganz zu schweigen.
Wem das Myzel-Menü-Angebot irgendwie ungeheuer erscheint, sollte sich einfach mal daran erinnern, dass auch der Edelschimmel vieler Käsesorten und die Hefe, die so wunderbar bekannte Lebensmittel wie Pizzateig und Bier ermöglicht, ebenfalls Pilze sind.
"Woodchicken-Fruchtkörper in Lebensmittelqualität"
Wenn es nach dem im bayrischen Freising beheimateten Team von Walding Foods geht, denken wir demnächst bei Burger und Chicken Nuggets ebenfalls an Pilze. Das kleine Unternehmen erforscht neue Wege, die kulinarischen Schätze der Pilzwelt zu heben, etwa durch Neuinterpretation traditioneller Fermentationsmethoden oder der Kultivierung von so einzigartigen Pilzen wie ihren schwefelgelben Huhnersatz „Woodchicken”.
Co-Founder Alison Stille verrät stolz: "Er wächst indoor und braucht wenig Strom. Sein Nährboden besteht aus Nebenprodukten der Land- und Forstwirtschaft, kann kompostiert oder sogar als Tierfutter verwendet werden. Als erstes Team weltweit können wir Woodchicken-Fruchtkörper in Lebensmittelqualität produzieren. Für diesen Erfolg haben wir ein Patent angemeldet. Nun arbeiten wir daran, die Produktion zu optimieren.“
Augen auf bei der Pilzsuche
Der Gemeine Schwefelporling alias „Chicken of the Woods“ ist ein Parasit und befällt vor allem Laubbäume wie Weiden oder Pappeln, aber auch Obstbäume. Gute Fundorte sind Flussauen.
Seine schwefelgelbe bis orangene Färbung und der üppige konsolenartige Wuchs sind sehr auffällig, jedoch sollte man sich unbedingt sicher sein, dass keine Verwechslung vorliegt, ehe man ihn verzehrt. Der Pilz ist nur in sehr jungem Zustand gegart essbar.
Roh ist der Baumpilz nicht genießbar. Vorsicht auch, wenn man an giftigen Bäumen wie der Eibe erntet.
Andere Produkte, wie der Walding Burger, sind bereits vor Ort im Shop erhältlich. Für diese besonderen, weil im Ganzen gewachsenen und dann quasi geernteten Pattys durchwächst ein Pilzmyzel Quinoa. Eine spezielle Marinade sorgt für den Geschmack und die Pilzwurzeln machen ihn schön bissfest und fleischartig in der Struktur.
Wer jetzt Hunger bekommt und nicht im näheren Umkreis wohnt, muss leider noch hoffen, dass die Produktion genauso guten Nährboden bekommt wie das Pilzmyzel. Upscaling ist bei allen Pilz-Projekten das Gebot der Stunde.