Virosphäre: Was du noch nicht über Viren wusstest
Wahrscheinlich existieren Billionen verschiedene Virenstämme – benannt sind jedoch erst 6828. Wir leben mit Viren. Und sie in uns.
Wie viel Virus steckt in meinen Genen?
Bei der Entschlüsselung des menschlichen Genoms fanden Wissenschaftler heraus, dass 8,5 Prozent unserer Gene Viren-DNA enthalten. Doch damit nicht genug. 21 beziehungsweise 13 Prozent weisen sogenannte LINE- und SINE-Sequenzen auf. Der Virologe Luis Villareal ist sich sicher: Diese Sequenzen sind Bruchstücke früherer Retrovirengene. Genforscher vermuten, dass diese viralen Abschnitte im Erbgut von Menschen und anderen Lebewesen eine der wesentlichen Ursachen für evolutionäre Veränderungen sind.
Was ist die Virosphäre?
Viren sind überall – und es sind weit mehr, als Forscher bisher annahmen. So untersuchen Virologen aus aller Welt die Virosphäre unseres Planeten – also die Gesamtheit aller auf der Erde existierenden Viren. Ihr bisheriges Ergebnis: Stand jetzt wurden 6828 verschiedene Viren erforscht und benannt. Dem gegenüber stehen Millionen oder Milliarden Viren-Arten, die noch nicht entdeckt wurden. "Was wir bisher untersuchen konnten", erklärt der Virologe Edward Holmes von der University of Sydney, "ist nur ein winziger Bruchteil der Virosphäre."
Wie viele Viren infizieren Menschen?
Grippe, HIV, Ebola oder jetzt Covid-19: Hinter diesen ansteckenden Erkrankungen stecken Viren. Allerdings sind Viren, die Menschen krank machen, relativ selten. Es gibt Millionen von Viren-Arten: "Doch nur ca. 250 Arten können den Menschen infizieren", erklärt der Virologe Andreas Dotzauer. Die allerdings können zu unzähligen Varianten mutieren.
Lassen sich alle Viren entdecken?
Jedes Jahr sterben Menschen an Influenzaviren – trotz Grippeimpfung. Das Problem: Influenzaviren mutieren permanent, und gegen die veränderten Erreger kann der Impfstoff nichts ausrichten. Auch fast alle anderen Viren-Arten haben die Eigenschaft zu mutieren. So entstehen ständig neue Viren. Würde man versuchen, alle Viren des Planeten zu entdecken, gelänge das nicht einmal, wenn man die abgelegensten Orte der Erde unentwegt auf Viren untersuchte. Die Suche nach Viren ist wie die Jagd nach einem Phantom.
Erfinden Viren das Leben neu?
Als brasilianische Forscher Anfang des Jahres 2020 die Amöben im künstlich angelegten Pampulha-See untersuchen, finden sie Erstaunliches: Einige der Amöben sind von einem Virus befallen, das die Forscher Yaravirus taufen. Das Besondere an dem Virus: Von den 74 Genen, die das Virus enthält, sind 68 völlig einzigartig und bisher unbekannt. In ihrer Studie schreiben die Forscher: "Die Menge der unbekannten Proteine, aus denen die Yaravirus-Partikel bestehen, zeigt, wie viel Potenzial an neuen viralen Genomen noch zu entdecken ist."
Sind Viren die Zombies der Natur?
Diese Frage beschäftigt Wissenschaftler aus aller Welt – und sorgt immer wieder für Streit. Denn Viren scheinen weder lebende Organismen zu sein, noch sind sie tot. Ob Viren leben, ist vielmehr eine philosophische Frage, meint Prof. Gert Liebert vom Institut für Virologie Leipzig. "Die einen sagen, es sind Lebewesen. Die anderen sagen, es sind keine. Ich gehöre zu denen, die sagen, es ist kein selbstständiges Lebewesen, weil es sich nicht autonom, also selbstständig, vermehren kann."
Wie entsteht ein Killer?
Eigentlich ist es nicht die Absicht eines Virus, seinen Wirt zu töten. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Ist der Wirt erst einmal tot, kann sich das Virus nicht weiter vermehren. Virologen sprechen bei tödlichen Viren deshalb oft von einem "biologischen Unfall". Doch wie kommt es zu diesen Unfällen? Virus und Wirt passen sich einander an. Springt aber ein Virus von einer Art nun auf eine andere Art – zum Beispiel den Menschen – über, trifft das den neuen Wirtsorganismus unvorbereitet. Das Virus ist neu und wird zum Körperfeind. Ist das Immunsystem mit diesem Kampf überfordert, kann der Befall tödlich enden.