Eine segelnde Putz-Kolonne: Die "Clean-up Crew" in Griechenland
Elf Oceanlover reisen eine Woche lang durch Griechenland, um als segelnde Putzkolonne dem Plastikmüll den Kampf anzusagen.
Die Crew kennt sich noch nicht lange. Es wurden in Vorbereitung des Törns ein paar Chat-Nachrichten ausgetauscht, vor dem Ablegen ging es in Athen noch gemeinsam zum Provianteinkauf.
Nun genießen die elf jungen Männer und Frauen die ersten Stunden an Bord, die Freiheit unter Segeln. Eine Woche auf einem "Sun Loft 47 Monocat" entlang der Küste der Peloponnes. Helios zieht den Sonnenwagen im Triumphzug durch den Himmel. Poseidons Reich glitzert in Türkisgrün, Cyan und Kobalt.
Auch die Anemoi, die vier Windgötter und Zugpferde des Zeus, sind gut gelaunt und pusten kräftig in die Segel. Mit neun Knoten geht es auf freier Fahrt durchs Mittelmeer, bis eine Mitseglerin die perfekte Bucht für den Abend erspäht. Der Skipper setzt Kurs auf die Ostseite der Insel Ägina. Der Anker fällt. Der Blick auf den Strand ist unbeschreiblich. Überall liegt Müll.
Selbermachen ist gefragt
Was den meisten als der totale Stimmungskiller, als Urlaubs-Super-GAU erscheinen muss, ist für die Crew der Grund, weshalb sie überhaupt erst angereist ist. Denn neben der großartigen Erfahrung, gemeinsam die mediterrane See zu entdecken, hat sie sich zusammengefunden, um die von allerlei Plastik und Müll geschändeten Strände zu säubern. Dass das mehr als nötig ist, zeigen alle Statistiken.
Schätzungsweise landen zwischen 4,8 bis 12,7 Millionen Tonnen Plastikmüll pro Jahr im Meer. Das entspricht mindestens einer Lastwagenladung pro Minute.
Bilder von gigantischen Plastikstrudeln mitten im Atlantischen Ozean und verseuchten Küstenstreifen in Asien hat man schon etliche gesehen, aber auch die Reviere direkt vor unserer Haustür sind betroffen. Im Norden, im Süden, das Plastik ist überall. Zeit, etwas dagegen zu tun. Die Crew des Vorzeige-Projekt-Törns "Sail & Clean" macht es vor. Selbermachen ist gefragt.
1 Stunde, 30 Müllsäcke
Die gute Nachricht: Wenn alle mit anfassen, ist es schnell geschafft. Handschuhe an, Müllsack geöffnet, beherzt zugegriffen. Und im Nullkommanix sieht der Strand wieder nach dem aus, was er sein sollte, ein wunderschönes Stück Natur.
Man muss natürlich realistisch bleiben: Nach nur einer Stunde Aufräumen über 30 Müllsäcke voller Plastikflaschen, Strohhalme und Verpackungsreste gesammelt zu haben, ist eine erschreckende Bilanz. Außerdem filtert so ein Beach-Clean-up das mikrofeine Plastik nicht mit aus dem Wasser. Da muss an anderer Stelle eingegriffen werden.
"Uns ist bewusst, dass wir mit dieser Aktion nur einen kleinen Beitrag zum Umweltschutz leisten können", resümiert Gründer und Inhaber des Segeltörnanbieters Join The Crew, Dominik Grotowski.
"Doch ist es uns wichtig, mit solchen Aktionen dazu beizutragen, die Strände zu schützen und gleichzeitig auf die Problematik aufmerksam zu machen. Als Anbieter von Segeltörns sehen wir uns aber dazu verpflichtet, unsere Mitsegler und Segelinteressierte über dieses Thema aufzuklären. Unsere Liebe zur Natur und zum Segeln treibt uns an, aktiv zu werden."
Jeder der Mitsegelnden an Bord weiß, dass sich die Welt mit dieser Aktion nicht retten lässt. Aber sie möchten zeigen, dass jeder einen kleinen Teil zum Schutz der Umwelt beitragen kann. Auch auf Reisen. Deshalb steht auch die restliche Zeit an Bord unter dem Motto Umweltschutz.
"Ich benutze vegane Seife zum Duschen. Das schont das Meer. Vor dem Start in der Marina haben wir den nächstgelegenen Wochenmarkt angesteuert, damit wir uns möglichst verpackungsfrei und regional ernähren. Unsere Smartphones haben wir mit Solar-Powerbanks aufgeladen", zählt Mitseglerin Tiffany auf.
Während die Segel gehisst sind, ist der Nachhaltigkeitsgedanke allgegenwärtig. Schwimmt Müll im Meer, übt die Crew kurzerhand ein Segelmanöver, um das Treibgut herauszufischen. Das ist nicht nur bei diesem Trip bei allen Skippern von Join The Crew zum festen Ritual geworden.
"Es ist wie in einer anderen Welt"
Müll sammeln in der Freizeit? Klingt nicht unbedingt nach Erholung und Urlaub. Doch der positive Impact, den man auf sein Reiseziel hat, wirkt sich auch positiv aufs eigene Gemüt aus. Es ist eine gute Erfahrung, zu merken: Reisen und Umweltschutz schließen sich nicht aus. Kein Wunder also, dass die Aktion bereits zum vierten Mal stattgefunden hat.
Und so ein Törn ist ja auch viel mehr als nur eine Aufräumaktion. Es ist, wenn man es denn zulässt, ein lebensprägendes Ereignis. "Menschen, die mit JTC segeln, sind weltoffen, sozial und empathisch. Wer sich auf das Segelabenteuer einlässt, teilt ähnliche Vorstellungen. Die Crews wachsen schnell zusammen. An Bord entstehen nicht nur lockere Urlaubsbekanntschaften, sondern echte Freundschaften fürs Leben", weiß Dominik Grotowski.
Clean-up-Crewmitglied Tiffany bestätigt: "Ich habe nicht nur viel über das Segeln gelernt, sondern auch neue und coole Menschen in einer besonderen Umgebung kennengelernt. Auf dem Boot schalte ich immer sofort ab. Es ist wie in einer anderen Welt. Mit dem Segelboot erreicht man abgelegene und türkisblaue Buchten, kann entspannt baden gehen oder einmalige Sonnenuntergänge genießen. Auch Delfine haben wir schon aus unmittelbarer Nähe erleben dürfen!"
Camping für Abenteuerlustige, die das Meer lieben
Ein besonderes Highlight des Trips war der Abstecher nach Moni Island. Die kleine, nur von Tieren bewohnte Insel ist umgeben von kristallklarem Wasser und gilt als Geheimtipp der griechischen Peleponnes.
Zwischen den Büschen und Pinienbäumen lassen sich wilde Rehe, Pfauen und Hirsche erspähen. Vielleicht trifft man auf Artemis bei der Jagd. Sie wäre sicher entzückt von diesen modernen Heroen, die sich dem Schutz der Umwelt verschrieben haben. Übertrieben? Vielleicht. Doch wer seine Zeit inmitten der griechischen Natur verbringt, kann sich dem archaischen Mythos nicht entziehen.
Auch an Bord hat man eine gute Zeit. Der Platz auf einem Segelboot ist begrenzt und dennoch ist alles da, was man zum Leben braucht: eine Kabine zum Schlafen, ein kleines Bad und eine Bordküche. Segeln ist quasi wie Camping für Abenteuerlustige, die das Meer lieben.
"Ich nehme immer nur das Nötigste in einer kleinen Tasche mit", verrät Mitsegler Claudius. Eine Badehose, bequeme Kleidung und ein Ausgeh-Outfit sollten aber auf keinen Fall fehlen. Das Leben spielt sich meist an Deck ab. Gekocht wird im Salon und gegessen und gesegelt an der frischen Luft. Der erste Tag ist meist der anstrengendste: Lebensmittel einkaufen, sich mit dem Boot vertraut machen und die Sicherheitseinweisung des Skippers absolvieren.
Dann folgen Erlebnisse, die eine Crew erst so richtig zusammenschweißen. Beim gemeinsamen Segelsetzen ist Teamwork gefragt, genauso beim An- und Ablegen. Am Abend stößt man nach einem gelungenen Ankermanöver mit einem Sundowner in einer der traumhaften Buchten auf den Tag an. Nicht überall und jederzeit muss Müll gesammelt werden.
"Den griechischen Spezialitäten und der Gastfreundlichkeit konnten wir jedoch nicht immer widerstehen", lacht Julius, der zum ersten Mal mit Join The Crew unterwegs war. "Nach dem obligatorischen Sundowner auf dem Boot ging es abends in eine der traditionellen Tavernen und Restaurants." Original griechischen Salat, warmen Feta-Käse mit Sesam und Honig und frittierte Zucchini-Bällchen gibt es schließlich nicht jeden Tag.
Auf der Insel Hydra, etwa 65 Kilometer südwestlich von Athen, fand die Crew nach den Abenteuern auf dem Meer einen Ort zum Entspannen. Touristen trifft man hier kaum. Autos? Fehlanzeige! Esel gelten hier als die wahren Transportmittel. Einheimische schlendern gemütlich durch die schmalen Gassen. Die Häuser und Treppen, die sich durch den Ort schlängeln, sind weiß gestrichen. Die Buchten sind felsig, aber sauber. Und das soll auch so bleiben.
Für den Notfall hat jeder einen Müllsack parat und fischt Ungewünschtes kurzerhand aus der See. "Damit wir auch zukünftig auf dem Meer unsere Segel unbeschwert hissen können", Claudius zuckt mit den Schultern und schickt einen letzten strahlenden Blick zurück auf das Mittelmeer. Er hat bereits weitere Segelreisen im Sinn. Plastik sammeln kann man schließlich überall.
von Alexandra Turner
Join The Crew
Join The Crew ist seit 2007 der führende Anbieter von Mitsegeltouren im deutschsprachigen Raum und richtet sich an junge Leute von 20 bis 45 Jahren. Man kann zwischen mehr als 25 Segelrevieren weltweit wählen, ob auf den Lofoten in Norwegen, auf Sardinien oder den Seychellen.
Die Mitsegler lernen ihre Crew vor dem Segeltörn in einem Chat kennen. Bei Meet-ups, der jährlichen After-Sail-Party oder spontanen Treffen bleibt man in Kontakt.
Segeltörns ab 590 Euro, Bordkasse rund 200 Euro. Die Anreise organisiert jeder selbst. Weitere Infos findest du hier.