News-Update

Kim Jong-Ils privater Sushi-Koch packt aus

Es war ein Tanz auf der Rasierklinge, zwischen Sushi, Cognac und Jetski auf der einen Seite und Hausarrest oder sogar Arbeitslager auf der anderen.

Kim Jong-Il
Nordkoreas ehemaliger Diktator Kim Jong-Il Foto: Getty Images / Sasha Mordovets
Auf Pinterest merken

Thunfisch für den Diktator

Im Jahr 1982 folgt der Japaner Kenji Fujimoto einem Ruf aus Nordkorea, wo in der Hauptstadt Pjöngjang ein Karaoke-Restaurant mit Sushi-Bar eröffnet werden soll.

Zunächst muss er auf die Beendigung der Bauarbeiten warten, aber dann geht es Knall auf Fall. Ein panischer Anruf des Restaurantbetreibers, eine fette Mercedes-Limousine und ruckzuck steht Fujimoto hinterm Tresen und bereitet Sushi für eine Runde hungriger Parteibonzen zu.

Ein kleiner Mann will wissen, was man da überhaupt verzehrt: Thunfisch ist die Antwort. Zurück in Pjöngjang erstarrt Fujimoto, als er das Bild des kleinen Mannes auf der Frontseite aller Tageszeitungen sieht. Es ist der zukünftige Herrscher des Landes Kim Jong-Il.

Das Prozedere wiederholt sich ab jetzt alle zehn Tage. Kim Jong-Il ist vernarrt in Fujimotos Sushi-Künste. Letzter profitiert ordentlich von seiner Nähe zum Sohn des Staatsgründers und noch herrschenden Diktator Kim Il-Sung: Er bekommt teure Geschenke und einen eigenen Dienstwagen – eine absolute Seltenheit im nordkoreanischen Machtapparat.

Opulente Menüs während das Volk verhungert

1988 befördert Kim Yong-Il den Sushi-Meister zu seinem persönlichen Koch. Für Fujimoto heißt das, fortan immer an der Seite des Diktators zu leben.

Mitte der Neunziger hat eine Hungersnot das Land fest im Griff, das Volk hungert, viele verhungern. Geschätzt wird, dass es mindestens eine Million Menschen sind. Keine gute Zeit, um das Erbe seines verstorbenen Vaters anzutreten.

Kim Yong-Il ist jetzt Staatschef, de facto allmächtig und Fujimoto im inneren Zirkel des Geschehens. Er erinnert sich an Abende, an denen der teure West-Cognac in Strömen fließt und wo man beim Kartenspiel ein ganzes Piano gewinnen kann.

Fujimoto ist komplett assimiliert. Er heiratet sogar auf Vermittlung von Kim-Jong-Il eine Nordkoreanerin, der Diktator höchst selbst organisiert die Festlichkeiten. Allerdings wird jetzt auch sein Reisepass eingezogen – sicher ist sicher.

Wilde Feiern und erste Risse

Hinter den Kulissen wird es immer wilder. Kim Jong-Il erwartet von all seinen Inner-Circle-Adepten, dass sie massiv trinkfest sind. Fujimoto selbst wacht auf seinem eigenen Hochzeitsbankett nach einer Ohnmacht aufgrund von zu viel Alkohol auf, nur um festzustellen, dass ihm irgendjemand sämtliche Schamhaare abrasiert hat.

Auf einer Party auf einer der Yachten Kim Jong-Ils uriniert dieser in einen Plastikbeutel, schwenkt ihn über seinem Kopf und schmeißt ihn dann über Bord. Sushi-Koch Fujimoto bekommt ein Flugzeug gestellt, um die zuzubereitenden Leckereien für den Chef aus aller Herren Länder zu organisieren: Früchte aus Singapur, Kaviar aus Russland oder dem Iran, Fisch aus Japan.

Nebenbei werden Rennen auf Jetskis abgehalten. In einem schlägt Fujimoto Kim Jong-Il – keine gute Idee. Es kommt zu einer Revanche, bei der letzterer mit einem neuen Modell antritt und den anderen keine Chance lässt. Dennoch hat er seine Niederlage gegen den Japaner nicht vergessen.

Als Fujimoto eines Tages vergisst, sein Zimmer in einem Privat-Komplex des Diktators aufzuräumen, werden ihm sechs Monate Zwangsarbeit aufgedrückt, nach einem Besuch seiner Heimat, Anfang des neuen Jahrtausends, wird er verdächtigt, nicht mehr loyal gegenüber Nordkorea zu sein. Das bringt ihm zwei Jahre Hausarrest ein.

Flucht in die Heimat

Fujimoto erkennt die Zeichen der Zeit und plant seine Flucht aus dem isolierten Land. Er kann Kim Jong-Il von einem neuen Sushi-Gericht überzeugen. Der Fisch dafür muss aus der japanischen Präfektur Hokkaidō organisiert werden.  

Als er zu dieser angeblichen Besorgungsreise aufbricht, ist sein Koffer etwas üppiger gepackt als sonst.

Rückkehr nach Nordkorea

Finaler Twist dieser ungewöhnlichen Geschichte: 20 Jahre später ist Fujimoto zurück. 2013, Kim-Jong-Il ist seit zwei Jahren tot und sein Sohn Kim Jong-Un hat das Ruder in der Hand, ist seine Flucht vergeben und vergessen.

Seit 2017 hat der japanische Sushi-Koch ein eigenes Restaurant in Pjöngjang.