Die Nero-Verleumdung: Haben die Christen Rom in Brand gesetzt?
Rufmord, Propaganda, Verleumdung: Immer wenn Mächtige ihre Ziele erreichen wollen, ist die Wahrheit das erste Opfer. Oft werden diese Lügenschnell enttarnt. Doch es gibt auch welche, die bleiben Jahrhunderte bestehen – und verändern den Lauf der Welt, so auch die Nero-Verleumdung.
Rom in Flammen und Kaiser Nero
Das Feuer, das Rom am 19. Juli 64 n. Chr. bis auf die Grundmauern vernichten wird, bricht nicht irgendwo aus. Die ersten Flammen schlagen aus einer Bretterbude, die an die Außenwand des berühmtes Circus Maximus gezimmert ist. Angefacht von heißen Sommerwinden, frisst sich das Flammeninferno neun Tage lang durch die Stadt.
Schnell ist von Brandstiftung die Rede. Doch wer wäre zu solch einem Verbrechen fähig? Wirft man einen Blick in die Geschichtsbücher, ist der Schuldige schnell gefunden: Kaiser Nero brannte die Stadt nieder, um sich auf ihrer Ruine einen Palast zu errichten. Eine Lüge, die bis heute verbreitet wird. Denn die wahre Frage ist:
Wer profitierte wirklich vom Feuersturm in Rom?
Untersuchungen zeigen, dass Nero einer beispiellosen Verleumdungskampagne zum Opfer fällt. Forscher haben bewiesen, dass Nero nicht einmal in Rom ist, als das Feuer ausbricht – und er gegen den Rat seiner Vertrauten zurückeilt, um dort die Löscharbeiten zu leiten. Nicht einmal seine schärfsten Kritiker kommen damals auf die Idee, er habe den Brand gelegt.
Auch sein vermeintliches Motiv hält einer kritischen Überprüfung nicht stand. Denn jener prachtvolle Palast, den er angeblich auf der Asche Roms bauen will, existiert bereits – und verbrennt ausgerechnet in den Flammen, die Nero gelegt haben soll. Doch wenn Nero nicht der Brandstifter ist, wer dann?
Legten Christen das Feuer?
Die Antwort liegt für den Altphilologen Professor Gerhard Baudy von der Universität Konstanz auf der Hand: Die Christen – eine zu der Zeit nahezu unbekannte, radikale Sekte.
Dazu muss man wissen, dass die Christen jener Tage in einem apokalyptischen Ausnahmezustand leben. Seit 30 Jahren warten sie auf die Rückkehr ihres Messias – und auf den Tag des Jüngsten Gerichts. Laut Baudy sprechen viele Indizien dafür, dass die Frühchristen dem womöglich nachhelfen wollten.
Tatsächlich verkünden christliche Prediger nach dem Brand, dass man Rom angesteckt habe, um das Jüngste Gericht herbeizuführen. Während Nero als Antichrist in die Geschichte eingeht, ist es für die frühchristliche Kirche der erste Bruch mit den Lehren Jesu – der sich danach wie ein roter Faden durch die Geschichte zieht. Denn von den Kreuzzügen bis zur Hexenverfolgung: Von nun an werden christliche Prediger immer wieder Gewalt als legitimes Mittel bezeichnen, um ihre Ziele zu verfolgen.