Giovanni Caboto: Der vergessene Entdecker, der Kolumbus zuvor kam
Noch vor wenigen Jahrhunderten war die Erde ein Ort, über den die Menschen nicht viel mehr wussten als wir heute über den Mars. Um das zu ändern, zogen wagemutige Entdecker los, segelten hinter den Horizont, wanderten bis ins dunkle Herz der Kontinente oder drangen in die tiefsten Dschungel ein. Manche kehrten als Helden zurück – doch viele andere sah man nie wieder.
Giovanni Caboto
Die Nachricht verbreitet sich wie ein Lauffeuer in Europa. Als sich im April 1493 herumspricht, dass der italienische Seefahrer Christoph Kolumbus die Westpassage nach Asien entdeckt hat, spürt Giovanni Caboto, wie neuer Ehrgeiz in ihm erwacht.
Er und Kolumbus waren einst Jugendfreunde in Genua und träumten gemeinsam davon, gen Westen zu segeln, um das legendäre Land Cathay zu finden, wie man damals China nennt. Doch während sein Freund dank mächtiger Fürsprecher am spanischen Hof einige Jahre danach zu seiner ersten Reise aufbrechen kann, hat Caboto deutlich weniger Glück: Völlig überschuldet muss er 1490 aus Venedig fliehen und seine Seefahrerträume vorerst begraben.
John Cabot
Kolumbus’ Rückkehr setzt nun neue Energie bei Caboto frei – denn: Er ist überzeugt, dass es einen noch kürzeren Weg nach Indien gibt, wegen der Erdkrümmung müsste er aber weiter nördlich zu finden sein. Sollte er das beweisen können, dürfte ihm der gleiche Ruhm zuteil werden, womöglich würde er seinen alten Freund gar überflügeln.
Das Problem: In Lissabon und Sevilla hört niemand auf ihn – man setzt lieber auf die neu entdeckten mittelamerikanischen Gebiete. Daher beschließt Caboto, sich an den größten Rivalen Spaniens und Portugals zu wenden, das aufstrebende England. Und tatsächlich: Als John Cabot, wie er sich nun nennt, bekommt er von König Heinrich VII. grünes Licht, fremde Länder für ihn in Besitz zu nehmen – allerdings auf eigene Kosten.
Erster Europäer auf nordamerikanischem Boden
Am 2. Mai 1497 sticht Caboto mit 18 Mann in See und erreicht nach stürmischer Überfahrt am 24. Juni Festland, das er für Asien hält. 30 Tage folgt er dem Küstenverlauf, passiert die Halbinsel Labrador, Neufundland sowie die Küste Neuenglands und beansprucht alle Gebiete für die britische Krone.
Zurück in England, wird Caboto mit Ehren empfangen, doch anstatt den Ruhm zu genießen, bricht er ein Jahr später erneut auf – mit fünf Schiffen und 200 Mann. Das Ziel: Japan. Diesmal kehrt jedoch nur ein Schiff nach England zurück, Caboto und seine restlichen Männer verschwinden im Nebel der Geschichte.
Manche Historiker glauben, dass sein Schiff in Seenot geriet, andere vermuten, er sei bis Venezuela gesegelt und dort auf spanische Konquistadoren getroffen. Sicher ist, dass Caboto als erster europäischer Entdecker den Fuß auf nordamerikanisches Festland setzte – Kolumbus hatte 1492 nur die karibischen Inseln betreten – und dass er Großbritannien durch die von ihm beanspruchten Gebiete den Weg ebnete, zur größten Kolonialmacht der Welt zu werden.