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"Dolorama"-Weg: Die geheimnisvolle Magie der weißen Berge

Wo la Dolce Vita auf Outdoorabenteuer trifft, wo einem gewaltige Felspanoramen den Atem verschlagen und wo die Freiheit schier grenzenlos scheint, da begeben sich Wanderlustige auf die Spuren der bleichen Berge in den Dolomiten.

Dolomiten
Die Dolomiten: Das Geheimnis der bleichen Berge Foto: Harald Wisthaler
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Inmitten von Fichten und Lärchen erwachen die Berge zum Leben. Der Morgennebel taucht den Sonnenaufgang in trübes Licht. Nichts ist zu hören außer dem sanft in der Ferne klingenden Läuten der Kuhglocken. Gestresste Banker und Unternehmer kommen hierher, um eine Auszeit zu nehmen von der hektischen Stadt, von Supermarktschlangen, Staus und Hupen.

Hier oben herrscht eine Stille, wie man sie anderswo selten erlebt. In vier Etappen führt der "Dolorama"-Weg über Almwiesen und Felsgelände von der Rodenecker und Lüsner Alm rund um den Plose-Berg bis nach Lajen oberhalb von Klausen.

Der Name des Wanderwegs ist Programm: Wer die schönsten Bergpanoramen der Dolomiten erleben will, muss nicht zwingend Gipfel besteigen. Mit 2.365 Höhenmetern und rund 60 Kilometer Wegstrecke können auch mittelmäßig geübte Wanderer die gewaltigen Felsformationen hautnah erleben.

Bergführer Florian Huber ist 31 Jahre alt und kennt die Dolomiten wie seine Westentasche. Der gebürtige Südtiroler ist leidenschaftlicher Kletterer und hat die Berge nie wirklich verlassen. Sechs Sommer lang hat er als Jugendlicher auf hiesigen Almen Kühe gehütet. Das habe ihm zur Selbstständigkeit verholfen, sagt er.

Seit zwei Jahren ist er offiziell Bergführer und zeigt Wanderfreunden in den Dolomiten die schönsten Aussichten der Region. Die Ausbildung ist hart und dauert mehrere Jahre. In sämtlichen Disziplinen wie Klettern oder Skifahren muss das Können unter Beweis gestellt werden.

Für den drahtigen Südtiroler kein Problem. Das Bergführen ist für den hauptberuflichen Techniker der perfekte Ausgleich zu seinem Bürojob.

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Dolomiten Foto: Harald Wisthaler

Von der Oberhauser Hütte auf 1.730 Meter Höhe geht es los. Der Plan ist eine leicht abgewandelte Strecke des eigentlich aus vier Etappen bestehenden Dolorama-Wegs. 21 Kilometer und 1.000 Höhenmeter sollen heute zurückgelegt werden.

Im Herbst ist die Route fast verlassen. Die einzigen ­Gefährten am Wegesrand sind Kühe. Abgesehen von der Ruhe gibt es noch einen weiteren Grund, die Dolomiten im Herbst anzusteuern: die Farben! In sattem Rot, Orange, Gelb, Lila und Grün erstrahlen die Felder und Wiesen.

Wer einen kleinen Umweg läuft, erklimmt mit dem Astjoch auf 2.194 Meter Höhe den ersten Gipfel der Route, schwitzt, keucht und steht auf einmal da: über den Wolken, wo die Freiheit grenzenlos scheint.

Seit 2009 zählen die Dolomiten zum UNESCO-Welterbe. Die einzigartige Erscheinung der majestätisch-bizarren Gipfel und ihre geologischen Besonderheiten verschafften ihnen die Auszeichnung.

"Das ist zwar auf der einen Seite eine Ehre, führt aber natürlich auch zu mehr Tourismus und neuen Herausforderungen", findet Florian Huber.

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Foto: Harald Wisthaler

Entstanden ist die Gebirgsgruppe vor 280 Millionen Jahren. Vier der neun Teilgebiete liegen in Südtirol. Apropos: Den einen oder anderen mag es verwundern, dass in der Region, die offiziell zu Italien zählt, Deutsch gesprochen wird.

Das hängt mit der bewegten Geschichte der Provinz zusammen. Die Grenze zu Österreich ist fließend – sowohl was die Landschaft als auch die Sprache und Kultur angeht. Denn noch vor rund 100 Jahren gehörte Südtirol zu Österreich. Nach Ende des Ersten Weltkriegs wurde die Region an Italien zwangsannektiert. Deshalb fühlen sich viele Südtiroler auch heute noch nicht wirklich als Italiener. Für den Bergführer sind das Luxusprobleme. "Ich fühle mich in erster Linie als Europäer", sagt er.

Eines steht aber fest: Nicht trotz, sondern gerade wegen seiner österreichischen und italienischen Einflüsse ist Südtirol so besonders. Denn auch Essen und Trinken sind der perfekte Spagat zwischen österreichischer Hausmannskost und la Dolce Vita. Typisch für die Region sind Knödel mit Speck und Gulasch ebenso wie Schlutzkrapfen, die den italienischen Ravioli ähneln.

Wer auf dem Dolorama-Weg eine Einkehrmöglichkeit sucht, wird fündig. Auf der Wieser Alm auf 2.054 Meter Höhe gibt es für hungrige Wanderer Kaiserschmarrn und hausgemachten Schnaps. Die Wanderung geht weiter bis zum Glittner See mit Blick auf den 2.875 Meter hohen Peitlerkofel. Ein Schwanenpaar genießt die Zweisamkeit, während sich die Wolken im Wasser spiegeln. Hier gilt: noch einmal durchatmen und die Idylle genießen, bevor es an die letzte Etappe des Tages geht.

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Foto: Harald Wisthaler

Die Beine schmerzen, die Lungen brennen und dann ist sie da: die Maurerberghütte, der Unterschlupf für die Nacht. Erst mal gibt es nach der Anstrengung des Tages ein Kaltgetränk auf der Terrasse. Die Stimmung ist gelöst. Hier treffen sich Menschen, die den ganzen Tag an der frischen Luft verbracht haben und nun froh sind, die Etappen des Tages geschafft zu haben. Da liegt eine Verbundenheit in der Luft. Südtiroler und Wanderer unter sich sind schnell beim Du. Nach zehn Minuten plaudern fühlt es sich an, als würde man sich schon sehr viel länger kennen.

Einer der Wanderer, die wir dort treffen, ist Holger Schrade. Der 44-Jährige kommt aus Münsingen bei Stuttgart, ist Beamter bei der Kriminalpolizei. Zu seinem Berufsalltag gehören Suizide, Vergewaltigungen, Raube, "alles ganz schlimm". Da braucht er ab und zu eine friedliche Auszeit in den Bergen, die er sich gern allein nimmt.

Er schätzt die Ruhe, die er in den Bergen findet. Hier bekommt er den Kopf frei, kann durchatmen, einfach nur die Landschaft genießen. Er war schon in vielen Gebirgen rund um den Globus unterwegs. In die Dolomiten kommt er immer wieder zurück, weil hier, findet er, "die schönsten Berge der Welt" seien. Jetzt genießt er ein kühles Blondes. Vor ihm auf dem Tisch liegt das Buch „Der Gesang der Flusskrebse“ von Delia Owens. Abends auf der Hütte mit anderen zu plaudern, die Geselligkeit zu genießen, gehört auch für Bergführer Florian Huber zum Wandern dazu – gerade wenn man tagsüber allein unterwegs ist. Denn bei Tisch lassen sich gut Geschichten vergangener Wanderungen austauschen und von Rotwein schläft man ja bekanntlich auch besonders gut.

Der zweite Tag beginnt früh. Um kurz vor 7 Uhr treffen wir uns in der Kälte, fröstelnd, trotz Mütze und Handschuhen. In ein paar Minuten soll die Sonne aufgehen. Das tut sie auch, heute allerdings hinter den Wolken. Ein üppiges Frühstück tröstet darüber hinweg. Zu Beginn geht es am Würzjoch entlang. Der 1.982 Meter hohe Gebirgspass verbindet zusammen mit dem Kofeljoch das Eisacktal im Westen mit dem Gadertal. Hier hat man einen atemberaubenden Blick auf die "bleichen Berge", wie die Dolomiten gern genannt werden.

Den mittelmäßig geübten Wanderer schmerzt so langsam das ein oder andere Körperteil: die Schultern, das Knie, die Leiste. Die Anstiege fallen schwerer, aber wer dann nach einer gefühlt sehr langen Etappe den höchsten Punkt erreicht, wird mit einem atemberaubenden Ausblick in das Gadertal belohnt, wo sich Hütte an Hütte reiht und die Wolken wie auf einem Landschaftsgemälde den Himmel zieren.

Nicht ohne Grund sind Grün und Blau laut Wissenschaft Farben, die beruhigen. An kaum einem Ort spürt man das so sehr wie hier. Als wir nach 16 Kilometern und 700 Höhenmetern am Nachmittag in der zweiten Unterkunft der Wanderung, der Schlüterhütte, ankommen, erwischen wir gerade noch die letzten Buchteln des Tages. Mit Vanillesoße serviert ist das Germgebäck ein wahrer Gaumenschmaus. Und das ist noch lange nicht alles. Zum Abendessen kommen Südtiroler Klassiker wie Schlutzkrapfen, Wildgulasch, Knödel und Röstkartoffeln mit Ei und Speck auf den Tisch, zum Nachtisch gibt es Zwetschgenkuchen. Auch Holger Schrade hat die Unterkunft der Nacht erreicht, die Wiedersehensfreude ist groß.

Und dann, auf einmal ist er da: der perfekte Sonnenuntergang, auf den die Wanderer zwei Tage gewartet haben. Alle stürmen nach draußen. Da ist es egal, ob es gerade bitterkalt ist und man nicht die richtige Jacke anhat. Mit diesem Anblick sind alle Schmerzen des Tages vergeben und vergessen. In einer Symbiose aus Gold, Orange und Rosa feiert die Sonne den Abschied vom Tag. Und während der Himmel brennt, möchte man fast eine Freudenträne vergießen angesichts dieses atemberaubenden Naturschauspiels.

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Foto: Harald Wisthaler

Hier oben fühlen sich die Probleme des Alltags auf einmal ganz klein an. Diese Schönheit, zu der die Natur in der Lage ist, macht demütig. Und sie macht melancholisch. Rotwein hilft dagegen. Nach dem einen oder anderen Glas werden Wanderweisheiten ausgetauscht. "Nur wo du zu Fuß warst, bist du auch wirklich gewesen.“ Hat Gandhi das gesagt? Oder Goethe? Goethe war es. Und Goethe, da ist man sich einig, war ein richtig guter Junge. Für einen geselligen Abend auf der Hütte nimmt man auch ein paar Stunden weniger Schlaf in Kauf, bevor es weitergeht.

Am letzten Tag stehen noch einmal rund 18 Kilometer und 800 Höhemeter an.Der Morgen ist klar und frisch. Über Nacht hat es gefroren. Die Sonne strahlt und hüllt die Landschaft in ein goldenes Licht. Im Schatten der 3.000 Meter hohen Geislerspitzen geht es durch lichte Zirbenwälder, vorbei an Nadelbäumen, Sträuchern und Felsbrocken. In einer Baumkrone entdecken wir einen Tannenhäher. Der weiß gesprenkelte Singvogel fühlt sich in den Nadelwäldern der Dolomiten besonders wohl.

Nach einem Anstieg, der die Kondition noch einmal herausfordert, lockt die Brogles-Alm auf 2.045 Meter Höhe mit einer Mittagspause. Röstkartoffeln, Ei und Brot mit Aufschnitt stärken für die letzte Etappe des Wanderwegs, die durch sanft abfallende Wiesen und Felder der Raschötz bis zur Seilbahn führt, die uns schließlich nach St. Ulrich zurück in die Zivilisation bringt.

Nach dieser dreitägigen Auszeit in den Bergen fühle ich mich zwischen Straßen, Ampeln und Parkplätzen seltsam verloren, brauche eine Weile, um wieder in dieser Welt anzukommen. Während für mich eine Zugreise und der Schreibtischjob anstehen, geht es für Florian Huber schon am nächsten Tag wieder zurück in die Natur. Ob er sich jemals vorstellen kann, von hier wegzuziehen? Er lächelt. "Eigentlich nicht." Und wenn man zum Abschied noch einmal den Blick in die Berge richtet, dann weiß man auch, warum.

von Juliane Minow

Der "Dolorama"-Weg

1. Etappe Vom Parkplatz Zumis auf der Rodenecker-Lüsner-Alm bis Maurerberghütte (etwa 6:30 Stunden Gehzeit)

2. Etappe Von der Maurerberghütte bis zur Schlüterhütte (etwa 4:45 Stunden Gehzeit)

3. Etappe Von der Schlüterhütte bis zur Schutzhütte Raschötz (etwa 5 Stunden Gehzeit)

  1. Etappe Von der Schutzhütte Raschötz bis nach Lajen (etwa 3 Stunden Gehzeit)

"Dolorama": Übernachtung

Die Oberhauser Hütte bietet sich als Startpunkt der Wanderung an. Sie befindet sich inmitten der Berglandschaft der Dolomiten und ist vier Kilometer von der Lüsner Alm und sechs Kilometer vom Astjoch entfernt.

Die perfekte Unterkunft nach der ersten Etappe ist die Maurerberghütte. Auf 2.157 Meter Höhe bietet sie einen unvergesslichen Blick auf den Peitlerkofel.

Nach der zweiten Etappe ist man in der Schlüterhütte bestens aufgehoben. Sie liegt eingebettet in Almwiesen auf 2.306 Meter Höhe zwischen Geislergruppe und Peitlerkofel im Naturpark Puez-Geisler.

Wer nach der Wanderung im Tal runterkommen und entspannen möchte, findet im Hotel Haller Luxus und Erholung. Es liegt in Brixen und bietet einen tollen Blick auf die Weinberge der Region.

"Dolorama": Restaurants

Direkt unter den Steilwänden des Peitlerkofels liegt das Restaurant Munt de Fornella. Perfekt für einen Kaffee oder eine kleine Stärkung zwischendurch. Kurz vor Ende der Wanderung bietet die Schutzhütte Brogles-Alm in Lajen, an der der Dolorama-Weg unmittelbar vorbeiführt, ein deftiges Mittagessen und eine familiäre Atmosphäre.

"Dolorama": Touristinfo

Südtirol Information, Südtiroler Straße 60, I-39100 Bozen, Tel. +39 0471 999999, info@suedtirol.info