Die deutschen Weltentdecker

Ludwig Borchardt: Der Fund, der Deutschland eine Königin gab

Sie kommen in riesigen Schiffen, ihre polierten Rüstungen glänzen in der Sonne. Sie tragen Schwerter und Feuerwaffen mit sich. Und sie halten ihren christlichen Gott in Form eines Kreuzes vor sich. Sie bringen den wahren Glauben, den Fortschritt und die europäischen Werte für all jene, die bereit sind, sich zu unterwerfen. Für alle anderen bringen sie Tod und Zerstörung … Heute im Kurzportrait: Ludwig Borchardt.

Sah Nofretete etwas so aus?
Sah Nofretete etwas so aus? (Symbolbild) Foto: iStock / Lorado
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Ludwig Borchardt entdeckt Nofretete

Ludwig Borchardt blickt der Frau fassungslos in die Augen: "Farben wie eben aufgelegt. Arbeit ganz hervorragend. Beschreiben nützt nichts, ansehen. Jedes weitere Wort ist überflüssig", so beschreibt der Berliner Archäologe Fund Nummer 748 vom 6. Dezember 1912 in seinem Grabungsbuch. Was Ludwig Borchardt 300 Kilometer südlich von Kairo am Rande des Nils mit bloßen Händen aus dem Wüstenboden birgt, wird das Bild des Alten Ägyptens in der Welt bis heute prägen – und Nofretete zur berühmtesten Königin eines Tausende Jahre währenden Reiches machen.

"Sie ist das lebensvollste ägyptische Kunstwerk", urteilt Borchardt über die Büste. Ihr beinahe makelloser Zustand gleicht einem Wunder – das fehlende Auge hatte Oberbildhauer Thutmosis als ihr Erschaffer wahrscheinlich noch nicht eingesetzt. Bis heute sind dieses Abbild Nofretetes und die Goldmaske von Pharao Tutanchamun die bedeutendsten Zeugnisse der Kultur des Alten Ägyptens. Nur diese eine Büste ist leuchtend bunt bemalt, ebenmäßig und lebensgroß geformt: Und so kann sich auch nach 3350 Jahren kaum ein Betrachter dem charismatischen Blick der alten Dame vom Nil entziehen.

Begründer der deutschen Ägyptologie

Es ist ein Glück, dass Borchardt das 48 Zentimeter hohe Abbild findet. Der Begründer der deutschen Ägyptologie setzt hohe Standards bei Ausgrabungen durch: Immer noch seien Zerstörungen an Fundstücken eher die Regel als die Ausnahme, klagt er. Als einer der Ersten vermisst und zeichnet der ausgebildete Architekt Fundorte hochpräzise nach. So auch bei den ersten Großgrabungen an der Grabanlage des altägyptischen Pharaos Sahure und des Sonnenheiligtums des Niuserre, die er leitet. Sie alle befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den Großpyramiden von Gizeh.

Auch dass Nofretete heute als größter Schatz der Museumsinsel in Berlin residiert, ist allein sein Verdienst. Denn wie damals üblich wurden die Fundstücke zwischen Ägypten und den Finanziers einer Grabung aufgeteilt – wobei "Bedeutendes" im Land zu bleiben hatte. Und so preist Borchardt andere Fundstücke an, während Nofretete eher unter dem Kapitel "Sonstiges" landet – im offiziellen Teilungsprotokoll lediglich beschrieben als "Büste aus Gips, bemalt, einer Prinzessin der königlichen Familie".