Gewusst? Diese unfassbaren Geheimnisse verbergen sich unter dem Kilauea-Vulkan!
Seit mehr als 30 Jahren spuckt der Vulkan Kilauea ununterbrochen Lava. Das spektakuläre Naturschauspiel ist jedoch nicht nur an der Küste sehenswert – sondern auch unter der Erde. Die bis zu 2.000 Grad Celsius heißen Ströme fressen sich durch die Insel und hinterlassen unterirdische Höhlen, die Forschern bis heute Rätsel aufgeben.
Das kleine Loch am Straßenrand wirkt so unscheinbar, dass Peter Bosted es zunächst fast übersehen hätte. Als der Höhlenforscher jedoch seinen Kopf durch den knapp einen Meter großen Felsspalt steckt und mit einer Taschenlampe hineinleuchtet, erblickt er eine mystische Welt, die ihm den Atem verschlägt: zerklüftete Felsen, schwarz-silbriges Gestein, tropfsteinähnliche Gebilde an der Decke.
Vor Bosteds Augen erstreckt sich ein riesiges Tunnelsystem. Es ist der spektakulärste Fund seines Lebens: Nur wenige Kilometer von seinem Wohnort Hawaiian Ocean View auf Big Island entfernt, ist er auf eine "puka" gestoßen. So wird in der lokalen Sprache ein Höhleneingang bezeichnet, der in ein unterirdisches Labyrinth führt. Ein Labyrinth, das von Lava geformt wurde.
Welche Geheimnisse hüten die Lavahöhlen?
Die Inselkette Hawaiis liegt auf einem rumorenden Erdboden: Mehr als 90 aktive Vulkane brodeln in der Tiefe und hinterlassen ihre Spuren – oberund unterirdisch. Zur Erklärung: Während die Oberfläche eines Lavastroms an der Luft bald abkühlt und erstarrt, fließt unter ihr der Lavakern weiter, erodiert den Boden und gräbt tiefe Röhren, in denen Temperaturen von mehr als 1000 Grad Celsius herrschen. Versiegt der Lavastrom, bleibt ein gigantischer, begehbarer Irrgarten im Untergrund zurück.
Keiner weiß genau, wie viele Wege sich die Lava auf den hawaiianischen Inseln seit den ersten Vulkanausbrüchen vor Millionen Jahren gegraben hat. Einige dieser Tunnel sind verborgene Schätze, die noch nie jemand gesehen hat, gerade mal zehn Prozent sind bislang erschlossen.
"Es gibt auf dieser Insel Menschen, die unmittelbar über einer Höhle leben und nicht einmal wissen, dass sie existiert", sagt Harry Shick, der Touren durch die Lavaröhren organisiert. Forscher wie Peter Bosted kartieren die Höhlen daher Meter für Meter und untersuchen zugleich die einzigartige Lebenswelt, die dort unten herrscht.
Denn: "Wir verstehen die Ökosysteme dieser Höhlen noch immer nicht", erklärt Lyman Perry von der HawaiiDivision of Forestry and Wildlife. Einige Zikadenarten etwa haben sich so gut ans feuchte Klima in den eigentlich vegetationsfeindlichen Höhlen angepasst, dass sie an der Oberfläche nicht mehr überleben könnten.
Dass so wenige Menschen von Hawaiis geheimer Unterwelt wissen, liegt auch daran, dass sie eine Art Schweigegebot, umgibt. Der Grund: Vielen Hawaiianern gelten sie als !kapu! – heilig –, weil dort früher ihre Toten bestattet wurden. "Wir glauben, dass man unsere Höhlen nicht entweihen darf", sagt der 31-jährige Aktivist und Filmemacher Keoni Alvarez, der gegen Immobilienfirmen kämpft, die über solchen Gräbern bauen wollen.
Lavahöhle der Superlative
Peter Bosted hält die Luft an und zwängt sich durch das Loch, das er soeben am Straßenrand entdeckt hat – der Eingang in die Katakomben Hawaiis. Gebilde wie Stalagmiten und Stalaktiten schmücken den Lavatunnel, die Wände schimmern goldbraun.
Durch den zerfurchten Boden zieht sich ein kleines Rinnsal azurblau leuchtenden Wassers, das die Höhle im Widerschein der Taschenlampen wie eine verwunschene Welt wirken lässt. An der nächsten Abzweigung entscheidet sich Bosted für den kleineren, linken Tunnel.
Schon nach wenigen Metern wird der Gang enger und die Luft drückender. Bald kann er nicht mehr stehen und muss auf die Knie gehen. Während in der von Bosted entdeckten Lavaröhre mehrere parallele Gänge wie Wasserläufe eines Flussdeltas miteinander verbunden sind, besteht die berühmte Nachbarhöhle Kazumura im Wesentlichen nur aus einer langen, geraden Röhre.
Mit einer Länge von 65,5 Kilometern und 1101 Metern Tiefe hält die vor 600 Jahren entstandene Unterwelt zahlreiche Weltrekorde. Sie wurde in mehreren Expeditionen komplett erschlossen. "Das ist ein Schatz von nationaler Bedeutung", sagt Harry Shick, der Höhlenführer und Buch-Autor.
Normalerweise braucht es Millionen von Jahren, um solche Höhlen entstehen zu lassen. Durch die Eruptionen der unzähligen Vulkane entstehen diese mitunter jedoch innerhalb von Monaten oder gar Wochen – das entspricht nicht mehr als einem geologischen Wimpernschlag und erklärt die Faszination vieler Menschen für die Lavatunnel.
"Die Tiefsee, der Weltraum und die unterirdischen Höhlensysteme sind die letzten unerforschten Welten", sagt der Höhlenkletterer Don Coons. Jedes Jahr zieht es daher Wissenschaftler aus der ganzen Welt hierher. Ihre Forschungen zum einzigartigen Klima der Höhlen sind vielfältig und liefern wertvolle Erkenntnisse in diversen Bereichen.
So bieten die Luftströme etwa laut dem Geologen Andreas Pflitsch wichtige Hinweise für das Strömungsgeschehen in U-Bahn-Netzen, da die Tunnel von U-Bahnen sich klimatologisch ähnlich verhalten wie Höhlen. Letzteres könnte etwa im Falle eines Terroranschlags Tausende Leben retten.
In kleinen Schritten zum großen Ziel
Bosteds Kriechgang durch die Höhle endet an einer Abzweigung, an der weniger als 30 Zentimeter Abstand zwischen der Decke und dem zerklüfteten Boden sind. Er atmet schwer in der engen Röhre, denn die Luft dort wird immer dünner. Das scharfkantige Lavagestein schneidet sich in seine Kleidung, während er sich auf dem Bauch durch den Tunnel zwängt. "Jetzt fängt es langsam an, Spaß zu machen", sagt Bosted lachend.
Am Ende haben sich die vielen Schürfwunden für den Forscher jedoch mehr als gelohnt: 47,06 Meter der bis dahin unbekannten Höhle konnte er an diesem Tag kartieren. "Auf diese Weise wächst die Karte jedes Jahr um fünf bis sieben Kilometer – und eines Tages ist sie fertig", erklärt Bosted.
Seine Hoffnung: Vielleicht wird Kipuka Kanohina, so der hawaiianische Name des Tunnels, irgendwann tatsächlich das längste vermessene Lavaröhrensystem der Welt sein.
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