Männergesundheit im Fokus: Interview mit der Movember-Stiftung
Im Movember lassen sich weltweit Männer einen Schnurrbart wachsen, um auf Themen der Männergesundheit aufmerksam zu machen. Im Interview erzählt Michael Fischer, Country Manager Europe der Movember-Stiftung, wie die Bewegung entstanden ist und welche Ziele sie verfolgt.
Von einer Bar-Wette zur globalen Bewegung
Männersache: Wie ist die Movember-Bewegung entstanden?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Die Idee von Movember ist bei einer Bar-Wette 2003 in Australien entstanden. Zwei Freunde, Travis Garone und Luke Slattery, wollten den aus der Mode verschwundenen Schnurrbart wieder zum Leben erwecken. Also haben sie 30 Kumpels zusammengetrommelt und ließen es im November 2003 sprießen. Sie waren in dem ersten Jahr sehr überrascht, wie das Wachsen lassen eines Mo's Aufmerksamkeit erregt und Gespräche anstößt. Deshalb sind sie 2004 einen Schritt weitergegangen und haben den Movember einem wichtigen Zweck gewidmet – der Bekämpfung von Prostatakrebs. Die 2004 gesammelten Gelder gingen vollständig an die Prostate Cancer Foundation of Australia (PCFA). Damals war dieser erste Movember-Scheck die größte Einzelspende, die die PCFA je erhalten hatte."
Männersache: Welche Vision verfolgt die Movember-Stiftung?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Wir merken jeden Tag, dass unsere Väter, Partner, Brüder und Freunde vor einer Gesundheitskrise stehen, über die viel zu selten gesprochen wird. Fakt ist, dass Männer zu jung sterben. Und wir sind der Meinung, dass wir es uns nicht leisten können, das zu verschweigen. Deshalb stellen wir jeden Movember die Männergesundheit in den Fokus mit der Vision, dass Männer in naher Zukunft länger, gesünder und glücklicher leben."
Männergesundheit: Warum ist es so wichtig, das Thema Männergesundheit zu thematisieren und Krankheiten offen anzusprechen?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Der aktuelle Zustand der Männergesundheit steckt in der Krise. Weltweit nehmen sich jedes Jahr mehr als 500.000 Männer das Leben. Das ist ein Mann pro Minute. Männer haben schlimmere langfristige Gesundheitsprobleme als Frauen und sterben im Durchschnitt fünf Jahre früher. Das wollen wir ändern."
So kannst du teilnehmen
Männersache: Was ist der größte Irrglauben, der in den Köpfen der Menschen über Männergesundheit herrscht?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Dass Männer stark und unabhängig sein müssen und keine Schwäche zeigen dürfen. Diese Klischees führen nicht selten dazu, dass Männer den Kopf in den Sand stecken und sich nicht die Hilfe und Unterstützung suchen, die sie brauchen. Das Gesundheitsverhalten hängt leider nicht selten von den Geschlechterrollen ab. Bei Schmerzen und Problemen 'beißen Männer eher mal die Zähne zusammen', als sich medizinische Hilfe zu holen. Oftmals sehen Männer keinen Sinn darin, zum Arzt zu gehen, wenn gar nichts weh tut. Und das ist ein Problem, denn das Prinzip von Gesundheitschecks und Vorsorgeuntersuchungen ist, dass sich diese Art der Untersuchungen an Menschen ohne starke Beschwerden, körperlicher oder mentaler Art, richtet, mit dem Ziel, Krankheiten in einem frühen Stadium zu erkennen. Denn das kann lebenswichtig sein."
Männersache: Was muss ich als Mann tun, wenn ich Teil der Movember-Bewegung werden möchten?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Der erste Schritt ist, sich auf www.movember.com zu registrieren und so ein Spendenprofil zu erstellen. In diesem sucht man sich dann aus, wie man den Movember unterstützen mag. Mit dem wachsen eines Mo, sportlicher Betätigung im Rahmen von Move oder einem (virtuellen) Event – das nennen wir Host. Dann kann man den Link zu seinem Profil auf sozialen Medien teilen und die Freunde, Verwandten und Kollegen zur Teilnahme oder zum Spenden auffordern. Dabei hilft auch unsere App, mit der man sich z. B. einen virtuellen Movember-Schnurrbart auf das Gesicht zaubern kann, um damit Aufmerksamkeit und Spenden zu sammeln."
Männersache: Wie können auch Frauen die Movember-Bewegung unterstützen?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Wir haben viele Mo Sisters, die Movember unterstützen. Sie sind ein wichtiger Faktor in unserer Bewegung, den wir nie unterschätzen. Ein schönes Beispiel dafür ist aktuell die #ChocoMoChallenge, die wahrscheinlich süßeste Challenge im Movember 2020. Weltweit wollen dieses Jahr Frauen im Movember mit der #ChocoMoChallenge für die Männergesundheit ein Zeichen setzen. Sie können sich zwar keinen echten Mo wachsen lassen, aber sie können einen Choco-Schnäuzer nutzen, um auf wichtige Themen wie Prostata- und Hodenkrebs sowie seelische Gesundheit und Suizidprävention bei Männern aufmerksam zu machen. Eine wirklich tolle Aktion, für die wir sehr dankbar sind."
Projekte & Kooperationen
Männersache: Wie viele "Mo Bros" und "Mo Sisters" gibt es mittlerweile?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Mehr als sechs Millionen weltweit."
Männersache: Nach welchen Kriterien wählt ihr die Projekte aus, die ihr mit den gesammelten Spendengeldern unterstützt?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Hier geht es uns darum, möglichst effizient und schnell zu arbeiten. Wir vernetzen die schlauesten Köpfe weltweit, um bahnbrechende Projekte zu identifizieren und zu finanzieren. Gleichzeitig stecken wir viel Zeit darin, zu identifizieren, welche Männer besonders unsere Hilfe benötigen, weil sie z. B. stärker unter seelischen Gesundheitsproblemen zu leiden haben."
Männersache: Was bedeuten euch Kooperationen? Wie kam es beispielsweise zur Partnerschaft mit L'Oréal Men Expert und wie sieht die Zusammenarbeit aus?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Wir sind unheimlich stolz, dieses Jahr mit L'Oréal Men Expert zum dritten Jahr in Folge einen so tollen Partner an Bord zu haben. Die Produkte helfen Männern nicht nur dabei, den Mo und sich selbst zu pflegen, sondern sammeln auch wichtige Spenden und vor allem Aufmerksamkeit in den Drogerien und Supermärkten. Weltweit hat L'Oréal Men Expert so schon mehr als 1,5 Millionen Euro seit 2017 gesammelt."
Männersache: Wenn ihr einen Wunsch frei hättet, was würdet ihr euch von Männern bzw. für Männer wünschen?
Michael Fischer (Movember-Stiftung): "Wir würden uns wünschen, dass wir den aktuellen Zustand der Männergesundheit, der in einer echten Krise steckt, für alle Männer weltweit beenden können. Damit dieser Wunsch in Erfüllung geht, sollten wir alle mehr mit den Männern in unserem Leben reden. Ein Anruf oder eine SMS kann einen Riesenunterschied machen."
Vielen Dank für das Gespräch!