Body Positivity: Plus-Size-Fashionblogger Claus Fleissner im Exklusiv-Interview
Zum World Mental Health Day haben wir verschiedene CreatorInnen zu ihren persönlichen Erfahrungen mit Stereotypen, Erwartungshaltungen und Leistungsdruck befragt. Hier spricht Plus-Size-Fashionblogger Claus Fleissner exklusiv mit uns über das richtige Körpergefühl und überarbeitete Schönheitsideale.
Männersache x Instagram: World Mental Health Day
Der World Mental Health Day findet seit 1992 jedes Jahr am 10. Oktober statt und dient dazu, Aufmerksamkeit für die Bedeutung mentaler Gesundheit zu schaffen. Gemeinsam mit Instagram und verschiedenen CreatorInnen möchte Männersache wichtigen Themen wie Body Positivity, Achtsamkeit, Entschleunigung bei der Arbeit, Depressionen, Selbstliebe und neue Männlichkeitsbilder Gehör verleihen. Laut der Stiftung Deutsche Depressionshilfe sind jährlich ca. 5,3 Millionen Deutsche von Depressionen betroffen, weshalb uns eine nachhaltige Auseinandersetzung mit den Aspekten psychischen Wohlbefindens sehr am Herzen liegt.
Claus Fleissner liegt das Thema der mentalen Gesundheit ebenfalls am Herzen. Der Frankfurter Plus-Size-Blogger ist selbst als Model tätig und schreibt in seinem Blog Extra Inches regelmäßig über Mode, Beauty und Lifestyle für Männer mit Übergröße. Männersache verrät er die Beweggründe für sein Engagement und welches Feedback er darauf bekommt.
Interview mit Claus Fleissner
Männersache: Wie viele Männer können deiner Erfahrung nach überhaupt etwas mit dem Begriff "Body Positivity" anfangen?
Claus Fleissner: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass sehr viele Männer den Begriff zumindest gehört haben, aber eventuell nicht immer richtig einordnen. "Body Positivity" ist kein exklusiver Plus Size-Begriff, sondern bezieht sich auf jeden Körper - egal welcher Form und egal welches Geschlecht. Viele Männer assoziieren den Begriff eher weiblich und denken sie haben damit nichts zu tun, aber mit sich und seinem Körper im Reinen zu sein ist gender- und sexneutral."
Männersache: In welchem Moment merkt man, dass man mit seinem Körper im Reinen ist?
Claus Fleissner: "Es gibt sicher nicht DEN EINEN Moment in dem du denkst 'zack, alles fein so wie es ist'. Bei mir gab es das jedenfalls nicht. Ich glaube bei mir lag das an der Erziehung. Meine Eltern haben einen guten Job gemacht und mir und meiner Schwester beigebracht nicht nach Äußerlichkeiten zu urteilen. Daher habe ich mich selbst auch nie rein nach meinem Äußeren beurteilt oder mich wegen meiner Figur anders, minderwertig oder schlecht gefühlt. Ich kenne aber viele Leidensgeschichten, bei denen der Weg zu einem gesunden Körpergefühl eine lange Reise war und das hart erlernt oder antrainiert werden musste. Ich stehe allerdings auch nicht jeden Tage vorm Spiegel und denke: WOW! Ich zweifele nicht an meinem Wert, nur weil ich dick bin. Klar weiß ich dass mein BMI eine Katastrophe ist, aber ich sehe das vollkommen neutral. Würde mich das stören, würde ich etwas ändern müssen."
Männersache: Welchen Stellenwert hat Mode für dich?
Claus Fleissner: "Mode hat für mich einen sehr hohen Stellenwert. Mode macht Spaß! Mit Klamotten kann ich mich ausdrücken, experimentieren, mich dahinter verstecken, meine Stimmung unterstreichen oder sogar verändern und anderen einen Eindruck vermitteln, wer ich bin, ohne mich erklären zu müssen."
Männersache: Was war die Motivation einen Blog wie "Extra Inches" ins Leben zu rufen?
Claus Fleissner: "Ich habe auf einer Veranstaltung Plus-Size-Bloggerinnen kennengelernt. Die haben meinen privaten Instagram-Account gesehen, auf dem ich damals auch schon Fashion-Postings hatte und meinten, wie toll das doch sei, dass endlich auch mal ein Mann zeigt, was die Plus-Size-Kollektionen der diversen Brands so alles an coolen Outfits hergeben und welche Looks man so zusammenbauen kann. Ich habe eine Weile überlegt und es dann einfach gemacht - weil ich den Gedanken mochte, andere durch meine Outfits zu inspirieren und ihnen Mut zu geben, sich selbst zu entdecken."
Männersache: Inwieweit haben sich Schönheitsideale in der jüngeren Vergangenheit verändert?
Claus Fleissner: "Die 'klassischen' Schönheitsideale haben sich nicht grundlegend geändert, denke ich. Männer mit breitem Kreuz und Waschbrettbauch sowie Frauen mit 'Idealmaßen' in Größe 34/36 bestimmen die Werbe- und Medienlandschaft. Jedes Cover oder Editorial, das vom Mainstream-Standard abweicht, ist etwas ganz Besonderes, was zeigt, dass es eben einfach noch nicht normal ist, anders zu sein.
Was sich aber immer mehr (wenn auch sehr langsam) verändert, ist dass auch anderen Körperformen zugestanden wird, schön zu sein. Verschiedene Körpertypen- und Formen werden gefeiert und erkämpfen sich das Recht gleichberechtigt behandelt zu werden. Das ist ja auch eines der Ziele der Body-Positivity-Bewegung: Alle Körper sollen als schön betrachten werden, es soll kein neues Schönheitsideal proklamiert werden, sondern die Vielfalt soll gefeiert und beachtet werden."
Männersache: Welche Reaktionen bekommst du im Netz bezüglich deiner Offenheit zum Thema Plus Size?
Claus Fleissner: "Zum Glück überwiegend positive Reaktionen! Ich bekomme ganz tolles Feedback von Jungs und Männern die bisher nicht wussten, wo sie einkaufen können, ohne nur Klamotten zu finden, in denen sie aussehen wie ihr eigener Opa. Mir werden Geschichten erzählt wie schwierig es war, sich für Mode zu öffnen und wie viel Spaß das jetzt macht. Wie toll das Gefühl ist, sich nicht in unförmigen Teilen verstecken zu wollen sondern das zu tragen, worauf man Lust hat.
Es ist ein ganz wunderbares Gefühl solche Rückmeldungen zu bekommen. Denn sind wir mal ehrlich… es ist ein Blog, der sich mit dem oberflächlichen Thema Mode beschäftigt. Und trotzdem erfahre ich, dass ich damit Leuten helfe zu sich selbst zu finden, sich Dinge zu trauen. Das fängt bei Mode an und geht hin bis zu einem besseren Gefühl für den eigenen Körper - und damit zu einem komplett anderen Lebensgefühl.
Es passiert sehr selten, dass ich negative Kommentare erhalte, jedenfalls nicht auf meinen eigenen Kanälen. Bei Berichten über mich kommt es in den Kommentaren oft auch mal zu den echt ausgelutschten Themen und Klischees wie 'alle dicken Menschen sind faul und gefräßig, krank und eine Belastung fürs Gesundheitssystem' etc. Aber sonst ist eher konstruktive Kritik dabei, weil ein Outfit eventuell mal wieder etwas zu wild war.
Ich bekomme das bei den Accounts von weiblichen Plus-Size-Bloggerinnen öfter mit, dass sich da regelrecht zerfleischt wird. Dass dort dicke Frauen andere dicke Frauen angreifen und verurteilen 'so doch nicht rumlaufen zu können' und so weiter. Das ist alles andere als Female Empowerment - und das aus den eigenen Reihen. Ich bin froh, dass meine Fans und Follower das nicht mit mir und auch nicht untereinander machen!"
Männersache: Welches Rezept hast du, um mit negativem Feedback umzugehen?
Claus Fleissner: "Ich habe leider kein Rezept mit negativem Feedback umzugehen. Ich bin froh, dass sowas generell an mir abperlt. Wenn ich etwas Negatives über mich höre oder lese, lasse ich das nicht an mich ran. Besonders wenn es von Personen kommt, die mich nicht kennen. Ich weiß, dass nicht jeder so locker damit umgehen kann, und auch ich habe Tage an denen mir ein Feedback näher geht als an anderen Tagen. Aber generell weiß ich ja, was ich warum getan habe - und wenn sich jemand erlaubt das infrage zu stellen ohne mich zu kennen, weiß ich, dass ich das nicht sonderlich ernst nehmen muss.
Kritik von Menschen, die mir nahe sind, würde ich als Grund nehmen mich zu hinterfragen, aber eben nicht von anonymen Fremden aus dem Netz. Tut mir Leid dass ich da keine Hilfestellung geben kann, außer vielleicht, dass man wirklich nicht alles ernst nehmen darf, besonders nichts was aus Langeweile, unbegründetem Hass oder purem Neid als anonymer Kommentar unter ein Posting geschmiert wird."
Männersache: Wir bedanken uns für das Gespräch!