Andros Mark V-A1: Der Roboter, der Menschen tötet
Die Polizei von Dallas hat erstmals ein erfolgreiches Konzept des US-Militärs kopiert – das gezielte Ausschalten eines Gegners durch einen Angriff mit einer Maschine ...
"Oh, wie ich Weiße hasse, besonders weiße Bullen!“ Der Mann, der das schreit, hat gerade fünf Polizisten mit einem halbautomatischen Gewehr erschossen und neun weitere verletzt. Micah X. Johnson befindet sich verschanzt im zweiten Stock des gelben Backsteingebäudes des El Centro College im Zentrum von Dallas, 9,1 Meter trennen den Armee-Veteranen von den Spezialkräften der Polizei. Mehr als 200 Schuss haben er und die Polizei allein auf diesem Flur abgefeuert.
Gegen 2.30 Uhr nachts trifft David Brown, Polizeichef von Dallas, eine weitreichende Entscheidung. Er ordnet zum ersten Mal in der Geschichte der USA die außergerichtliche Tötung einer Person durch Polizisten per Fernsteuerung an. Ein Tabubruch, denn die Tat lässt sich auch anders lesen: als der erste Drohnenangriff auf US-Territorium gegen einen US-Amerikaner …
Andros Mark V-A1: Der Roboter, der Menschen tötet
Gerade einmal eine Viertelstunde dauern die Vorbereitungen. Dann beginnt ein Andros Mark V-A1 mit fünf Kilometern pro Stunde seinem Ziel entgegen zu rollen. Eigentlich soll der 136.000 Euro teure Roboter Leben retten, er dient normalerweise zum Entschärfen von Bomben. Jetzt soll Andros jedoch ein Leben nehmen: An dem 170 Zentimeter langen Greifarm steckt ein halbes Kilogramm C4. Die Wirkung dieses militärischen Sprengstoffs lässt sich durch seine Form gezielt in eine Richtung steuern.
Johnson sieht Andros kommen, er feuert mehrfach auf den gepanzerten Roboter, doch C4 braucht einen speziellen Zünder zur Explosion. Es detoniert weder durch Schüsse, noch durch Feuer oder Schläge. Der Roboter stoppt an der Wand vor Johnson, positioniert den Greifarm und zündet den Sprengstoff. Eine Detonationswelle breitet sich mit 8.400 Metern pro Sekunde aus und lässt die massive Mauer zersplittern, Johnson ist sofort tot.
Der erste Terminator der USA
Für den rund 360 Kilo schweren Andros ist der Einsatz alles andere als ein Selbstmordkommando: "Nur sein Greifarm ist etwas beschädigt", so Brown. "Wir könnten ihn weiterhin für entsprechende Operationen einsetzen."
Es gibt zu diesem Zeitpunkt weder eine gesetzliche Grundlage noch einen Präzedenzfall für einen solchen Einsatz. "Wir haben keine andere Möglichkeit gesehen. Alle anderen Optionen hätten Polizisten in Gefahr gebracht", so Brown. Wirklich? Andros hätte durchaus auch eine Blendgranate zünden oder sogar mit einem Gewehr ausgerüstet werden können.
Bis heute gibt die Polizei keine Informationen heraus, warum sie sich für die Tötung entschieden hat. Offizielle Begründung: Die Details der Aktion seien "ohne begründetes öffentliches Interesse". Eine auffällige Nähe zu den Drohnenschlägen der USA in Pakistan oder Afghanistan.
Aus Afghanistan auf die Straßen
Tatsächlich kopieren US-amerikanische Polizeibehörden immer öfter das Militär: Etwa 100.000 Maschinengewehre und fast 1.000 gepanzerte Fahrzeuge aus Armee-Beständen sind bei ihnen im Einsatz. Fahrzeuge, die für Patrouillen in den Straßen von Bagdad oder Kabul gebaut wurden – aber nicht für den Dienst in New Orleans oder Chicago.
Nach Angaben der American Civil Liberties Union finden täglich etwa 100 paramilitärische Zugriffe der Polizei in den USA statt, meist gegen kriminelle Banden aus dem Drogenmilieu, manchmal aber auch gegen Kreditkartenbetrüger. Was passiert, wenn Zehntausende Roboter und Drohnen des Militärs veralten? Zum Wegwerfen sind sie zu schade. Der Bundesstaat North Dakota erlaubt bereits seit 2015 den Einsatz von Drohnen – vorerst nur mit nichttödlichen Waffen wie Tasern oder Tränengas.