Alexander Litwinenko: Wie lange kann eine Hinrichtung durch einen Geheimdienst dauern?
Ob Präsidenten, Könige oder Kaiser - für sie alle gilt deshalb die gleiche Regel: Egal, wie mächtig du bist - wenn du überleben willst, leg' dich nie mit einem Geheimdienst an - selbst wenn es der deines eigenen Landes ist.
Alexander Litwinenko: Ein KGB-Agent packt aus
November 1998, Moskau. Die Temperatur fällt auf minus 10 Grad. Viele der anwesenden Journalisten sind in Mäntel gehüllt. Der Raum ist schlecht beheizt. Dann betreten fünf Männer das Podium. Vier sind maskiert, nur einer zeigt sein Gesicht: Alexander Litwinenko, jener Mann, der zu der geheimen Pressekonferenz geladen hat - und Enthüllungen verspricht.
Die Männer sind ehemalige KGB-Agenten und arbeiten seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion für die Nachfolgeorganisation FSB. Ruhig schildert Litwinenko, wie er und seine maskierten Kollegen ein Jahr zuvor vom FSB-Abteilungsleiter für Organisiertes Verbrechen einen Mordauftrag erhalten haben. Ziel: der russische Oligarch Boris Beresowski.
Es ist ein Auftrag, den die Männer nicht ausführen - aus moralischen Gründen, wie sie sagen. Für den FSB ist das eine Katastrophe: Die Männer um Litwinenko zählen zum innersten Kreis des Geheimdienstes, sind seit Jahrzehnten aktiv. Kurz darauf flüchtet Litwinenko nach London, lässt sich vom MI6 anheuern. Und immer wieder bringt er den Kreml mit Enthüllungen über politische Morde oder Korruption in Bedrängnis.
Ermordet mit Polonium 210
Zeitsprung in das Jahr 2006: Nach einem Essen mit russischen Geschäftspartnern klagt Litwinenko über Schmerzen im Unterleib. Im Krankenhaus finden die Ärzte in seinem Urin radioaktives Polonium 210. Ein Todesurteil: Schon ein Millionstel Gramm des Stoffs zerstört die Körperzellen und schädigt die DNA. Die Ärzte stehen machtlos daneben, können den körperlichen Verfall nicht stoppen.
Drei Wochen später stirbt Litwinenko. Vor seinem Tod erklärt er, Opfer eines Mordanschlags zu sein - jemand sei dabei, ihn vor den Augen der Weltöffentlichkeit in Zeitlupe hinzurichten. Und er wisse auch, wer: der Geheimdienst FSB.
Tatsächlich führen die Spuren nach Moskau: Scotland Yard verdächtigt Andrei Lugowoi, einen hochrangigen Ex-KGBler, Litwinenko Polonium in den Tee gegeben zu haben. Auch die "Mordwaffe" weist nach Russland. Das FBI kann beweisen, dass das Polonium aus einem russischen Reaktor stammt.
Doch der Mord an Litwinenko, sein grausame Zugrundgehen, ist mehr als eine Hinrichtung, es ist eine Botschaft: Egal, ob du dich an die Öffentlichkeit wendest oder zu unseren Feinden überläufst - wir kriegen dich! Es ist ein Warnschuss für alle, die darüber nachdenken, einen Geheimdienst zu verraten.