Steinhügel von Thurgau: Was verbirgt das Stonehenge im Bodensee?
Diese sensationellen Funde schreiben die Weltgeschichte neu. Deutschlands bekannteste Archäologie-Expertin Gisela Graichen ist für Welt der Wunder den größten Geheimnissen der Menschheit auf der Spur. Diesmal geht es um mysteriöse Steinhügel im Bodensee.
Am Grund des Bodensees
Die Nachricht schlägt ein wie eine Bombe: ein Stonehenge im Bodensee? Ein gewaltiger Kultplatz auf dem Grund von Deutschlands größtem See? Das Rätsel wird 2015 bei einer ganz normalen Vermessung des Bodensees entdeckt. Man will exakt wissen, wie tief an jeder Stelle das Seebecken ist.
Doch plötzlich zeigt das Echolot des Vermessungsschiffes seltsame Anomalien auf dem Seegrund an. Auf Schweizer Seite, gegenüber von Friedrichshafen, etwa 200 bis 300 Meter vom Ufer entfernt, erscheinen auf dem Bildschirm merkwürdige Erhöhungen, kegelartige Hügel – und Steinkreise
Stonehenge im Bodensee
Der Projektleiter glaubt an einen Messfehler und wiederholt die Messungen. Mehrmals. Doch immer mit demselben Ergebnis: Die Steinkreise mit einem Durchmesser von 15 bis 30 Metern liegen in gleichmäßigen Abständen schnurgerade aufgereiht wie an einer Perlenschnur parallel zum Ufer.
Urs Leuzinger, der zuständige Archäologe des Kantons Thurgau, schickt schließlich Forschungstaucher zu den Hügeln. Diese zählen 170 Kreise, die kegel förmigen Hügel sind etwa drei Meter hoch und haben ein Gewicht von insgesamt 150 000 Tonnen – ein Mehrfaches der englischen Kultstätte. Doch wozu haben die Hügel gedient?
Begräbnisstätte
Um das Rätsel zu knacken, fährt Leuzinger 2019 schweres Gerät auf. Mit einem schwimmenden Bagger lässt er einen Schnitt durch Hügel Nr. 5 legen. Der Aushub fördert nicht nur Steine zutage, sondern dazwischen auch Holz. Zurechtgehauene Pfähle! Und die lassen sich datieren.
Die Archäologen wissen jetzt, wann die Hügel errichtet wurden: in der Jungsteinzeit vor 5500 Jahren. Gebaut also zur selben Zeit wie Stonehenge. Die Forscher gehen heute davon aus, dass die Kreise als Begräbnisstätte für die Menschen dienten, die damals am Rande des Bodensees auf Pfahlbauten lebten.
Den Archäologen gelang damit nicht nur die Entdeckung eines gigantischen Seeheiligtums im Bodensee, sondern darüber hinaus auch die Etablierung einer ganz neuen Forschungs-Gattung: jungsteinzeitliche Kultstätten unter Wasser. Denn durch die extrem heißen Sommer tauchten immer mehr Relikte aus den Fluten auf.