Führte eine Fälschung zur Gründung Deutschlands?
Vertuschte Verbrechen, unter Verschluss gehaltene Akten, gefälschte Beweise: Heute setzen Regierungen, Konzerne und Geheimdienste alles daran, dass ihre Machenschaften nie an die Öffentlichkeit gelangen. Aber die Geschichte zeigt: Die Wahrheit lässt sich nicht aufhalten.
Otto von Bismarck will den Krieg
Diplomatie ist eine hohe Kunst – schon ein falsches Wort kann zur Katastrophe, zum Krieg führen. Und genau den will Otto von Bismarck, Ministerpräsident von Preußen und Kanzler des Norddeutschen Bundes, im Jahr 1870.
Er will den Erzfeind Frankreich in die Knie zwingen, um die zersplitterten deutschen Staaten zu einen. Selbst angreifen aber kann er nicht – die Gefahr, dass andere europäische Großmächte sich dann auf die Seite Frankreichs schlagen, ist zu groß. Und: Nur bei einer Attacke von außen greifen Bündnisverträge, die Bismarck mit den süddeutschen Staaten geschlossen hat.
Präzise Wortwahl und Kürzungen
Was die Welt nie erfahren soll: Die Emser Depesche König Wilhelms I. an Bismarck ist eigentlich nur ein Bericht über seine Unterredung mit einem französischen Diplomaten. Wilhelm beschreibt in dem Telegramm, wie er es freundlich, aber bestimmt ablehnt, Frankreich zu versprechen, dass niemals ein Adliger aus dem Geschlecht der Preußen-Herrscher den Thron von Spanien besteigt.
Bismarck greift zur Feder – und lässt vom Originalwortlaut kaum etwas übrig. Noch am selben Tag wird die verfälschte Depesche veröffentlicht. Sie soll "den Eindruck des roten Tuches auf den gallischen Stier machen", sagt Bismarck. Und das tut sie: Die Wortwahl, die Kürzungen lassen die Franzosen glauben, dass Frankreich von Wilhelm schwer beleidigt wurde.
Der Krieg, den von Bismarck wollte
Massenproteste sind die Folge. Die Regierung fürchtet, weggeputscht zu werden – und erklärt Preußen den Krieg. Bismarcks Plan geht auf: Frankreich steht als Aggressor da, die anderen Mächte halten sich heraus, Preußen gewinnt.
Und so sorgt eine Fälschung dafür, dass 1871 Wilhelm zum Kaiser des geeinten Deutschen Reichs ausgerufen wird. Diese Einigung – unter preußischer Führung – ist Bismarcks eigentliches Ziel. Kommentare des Kaisers zu des Kanzlers Eigenmächtigkeit: "Bismarck ist wichtiger für das Reich als ich" und "Es ist nicht leicht, unter diesem Kanzler Kaiser zu sein" …