Framing: Die dunkle Macht der Worte
Elisabeth Wehling gilt als wissenschaftliche Koryphäe im Bereich Manipulation durch Sprache. Im Gespräch klärt sie über die Bedeutung von Framing auf.
Framing: Die dunkle Macht der Worte
Frau Wehling, wenn wir jetzt miteinander sprechen – manipulieren Sie mich gerade?
Nein. Aber wer das will, für den ist Sprache ein perfektes Mittel der Beeinflussung.
Sie meinen damit sicherlich eine geeignete Auswahl an Fakten: manches verschweigen, anderes betonen, richtig?
Inhaltlich sind Fakten zentral, aber keinesfalls entscheidend. In einem mittlerweile berühmten Experiment bekamen zwei Gruppen eine jeweils 60 Wörter lange Geschichte präsentiert. Beide Varianten beschrieben identisch die steigende Kriminalität in einer Stadt – aber einmal als "lauernde Bestie" und einmal als "sich ausbreitender Virus". Nur drei Worte mussten die Forscher im gesamten Text verändern, und schon waren die Teilnehmer im ersten Fall zu härteren Strafen gegen Verbrecher bereit, im zweiten Fall befürworteten sie Präventivmaßnahmen – doch beide Gruppen begründeten ihre Wahl mit den im Text genannten, identischen Fakten. Dahinter steckt ein unterbewusster Prozess namens Framing: Fakten werden für uns Menschen erst über Frames greifbar. Ohne Frames sind Fakten bedeutungslos.
Frames?
Das englische Wort Frame bedeutet nichts weiter als "Rahmen". Das ist wie der Blick auf die Realität durch einen Fotoapparat: Dieser lenkt unsere Aufmerksamkeit auf einen Teil des Motivs und blendet anderes aus. Frames sind sprachliche Rahmen. Sie geben einer Information, einer Zahl, einem Fakt, einem Motiv erst einen Sinn, sie ordnen die Welt. Sie, ich, wir alle treffen Entscheidungen anhand von Frames, unbewusst. Wir merken es nicht einmal. Nur etwa zwei Prozent unseres Denkens sind bewusste Vorgänge.
Übertreiben Sie da nicht ein wenig? Ich informiere mich aus vielerlei Quellen und bilde mir da durchaus bewusst meine eigene Meinung.
Und gerade das macht Sie sogar besonders empfänglich für Framing. Das klingt widersprüchlich, aber nur auf den ersten Blick: Ihr Gehirn ist es gewohnt, regelmäßig verschiedene Informationen interpretierend einzuordnen, sprich: Sie können leichter zwischen verschiedenen Frames hin und her wechseln und auch "fremde" Frames akzeptieren.
Wie funktioniert Framing konkret?
Nehmen wir diesen einfachen Satz: Gertrud schlägt einen Nagel ein. An was denken Sie dabei? Wahrscheinlich an eine ältere Dame (altmodischer Name) mit einem Hammer (typisches Schlagwerkzeug), allein und wohl etwas überfordert (untypische Rentneraufgabe, keiner da, um zu helfen). All das sind Frames, welche die Wörter automatisch aufgrund unserer Erfahrungen aufrufen.
Sprache verstehen, heißt nichts anderes, als Inhalte gedanklich zu simulieren. Und wir simulieren das Naheliegendste, sogar inklusive Bewegungen. Gehirn-Scans zeigen das eindrucksvoll: Ein Verb wie "einschlagen" aktiviert die Prämotorische Region im Gehirn, also den Bereich, der eine Bewegung wie einen Schlag geistig vorbereitet. Patienten mit Hirnschäden in dieser Region haben tatsächlich Probleme beim Verstehen von Verben, eben weil sie Bewegungen geistig nicht mehr gut simulieren können.
Ein Frame ist also eine Art Schalter im Gehirn?
Ja, aber was schaltet er an? Framing-Effekte lassen sich nicht einfach per Fragebogen ermitteln, denn sie liegen unterhalb des bewussten Denkens verborgen. Um Frames zu untersuchen, verbinden wir in der Forschung mehrere Ansätze: Gehirnscans, Sprachanalysen und Verhaltensexperimente. Da treten unglaubliche manipulative Effekte von Wörtern zutage: Beleidigungen aktivieren das Schmerzzentrum im Gehirn, so als hätte Ihnen jemand physisch Leid angetan.
Die Erwähnung "13. Stock" oder "Keller" richtet den Blick einer Versuchsperson unweigerlich leicht nach oben beziehungsweise nach unten. Bei Berichten über die Vergangenheit verlagert sich die Körperhaltung nach hinten, das Umgekehrte passiert beim Thema Zukunft. Wer das Wort Schildkröte liest, schätzt die Schrittgeschwindigkeit anderer langsamer ein – und so weiter.
Das sind aber eher Spielereien.
Im Gegenteil. Man kann mit Frames tatsächlich Abwehr oder Wohlgefallen gegenüber bestimmten Ideen wecken – und das kann dann wiederum Wahlen entscheiden. Besonders wirkmächtig sind sogenannte Primärmetaphern, die funktionieren wie eine Art Universalcode derMenschheit: Es gibt Wörter, deren Bedeutung bereits lange vor dem eigentlichen Spracherwerb ins Unterbewusstsein dringt.
So lernen Gehirne von Säuglingen überall auf der Erde, dass oben gut ist. In den Armen der Mutter kann man besser sehen, man fühlt sich gut. Unten am Boden ist dagegen gleichbedeutend mit Hilflosigkeit. Im Alltag sagen wir: Ich bin niedergeschlagen oder habe ein Gefühlshoch. Tatsächlich denken Versuchspersonen in Experimenten an schöne Dinge, wenn sie Murmeln nach oben statt nach unten sortieren dürfen. Ein süßes Kind (anstelle von lieb) aktiviert die Geschmacksregion und positive Gefühle. Ein verdorbener oder schmutziger Gedanke (aber nicht schrecklich) aktiviert dagegen Ekelgefühl im Kopf.
Kurz gesagt: sich selbst ins Licht rücken und den Gegner mit Dreck bewerfen.
Leider sind schmutzige Negativkampagnen sehr erfolgreich, man könnte sogar sagen, sie haben es neurologisch leichter. Warum? Zum einen zeigt die Forschung, dass unser Gehirn negative Inhalte eher wahrnimmt als positive, denn evolutionär sind Gefahren relevanter für das Überleben.
Zudem müssen wir positive Gefühle länger spüren als negative, um uns später noch an sie erinnern zu können. Und, das kommt noch hinzu, ein konservativ-autoritäres Weltbild macht empfänglicher für negative Frames. Wir wissen, dass derart geprägte Menschen eine größere Amygdala haben, also "mehr Platz" im Gehirn, wo Angst und Stress sitzen.
Das heißt also, wie US-Präsident Donald Trump mit Sprache plump Ängste und Feindbilder zu schüren, ist wissenschaftlich gesehen ein Erfolgsrezept?
Für ihn, ja. Donald Trump ist nicht dumm, wie viele meinen. Er ist sehr strategisch. Beispiel: Sprachlich nutzt Trump das Niveau eines Viertklässlers – und das ist seine Stärke. Denn er verwendet fast nur Wörter, die wir als Kinder als Erstes lernen – und eben nicht den typischen abstrakten Politikersprech. Je konkreter die Sprache ist, desto leichter simulierbar, vorstellbar, fühlbar wird sie.
Er beleidigt dabei Frauen oder ethnische Minderheiten, die ihn dennoch wählen.
Trump bedient sehr geschickt die Frames, die bei Menschen mit autoritär geprägtem Weltbild gut ankommen. Bei ihm ist etwas nicht einfach schlecht, sondern gleich widerlich. Wir wissen aus der Forschung zum Beispiel, dass dieser konservative Teil der Bevölkerung sehr stark für Frames der Reinlichkeit empfänglich ist.
Strenge, Ordnung, Autorität sind ihnen wichtig. Diese Menschen reagieren besonders auf die emotionale Sprache Trumps, die die Welt in Richtig oder Falsch, Gut oder Böse einordnet. Wer dort als Landesvater akzeptiert ist, dem nimmt man auch Ausfälle gegen die eigene Gruppe nicht übel. Die Entscheidungen des eigenen Familienoberhaupts werden schließlich auch nicht angezweifelt. Der Vater ist eben der Vater, dem widerspricht man nicht.
Der Frame "Big Daddy"Trump überstrahlt also alles?
In konservativen Kreisen, ja. Unterbewusst denken wir uns Land und Regierung als große Familie. Politiker sind Elternfiguren. Tatsächlich zeigt die Forschung, dass Fragen nach der idealen Familie (Sollen Eltern streng sein oder eher verständnisvoll? Sind Strafen für Kinder Ausdruck von Liebe oder eher von Versagen?) politische Werte oft besser prognostizieren, als wenn man direkt nach Positionen fragt.
Das autoritär-konservative Weltbild baut auf Strafen, Selbstdisziplin und Eigenverantwortung. Gemeinschaft, Fürsorge und soziale Verantwortung gehören dagegen zum progressiven Weltbild, das Trumps Vorgänger Barack Obama vertreten hat. In Frames ausgedrückt, würde Trump beispielsweise von einer möglichst niedrigen Steuerlast sprechen, Obama dagegen von einem fairen Steuerbeitrag.
Trump geht aber noch weiter: Er spricht vom amerikanischen Blutbad, wo es eigentlich nur um Arbeit, Bildung oder Wirtschaft geht, und von der Verwesung US-amerikanischer Infrastruktur. Körper-Frames gehören zu den wirksamsten überhaupt, weil jeder von uns Erfahrungen mit Krankheiten hat.
Aber was setzt man Angst- und Hassbotschaften entgegen, die unser Gehirn ja augenscheinlich bevorzugt?
Vor allem eigene Werte, keine nackten Fakten. Und schon gar keine reinen Korrekturen von Lügen, denn dazu muss man Letztere in der Regel wiederholen. Doch dem Gehirn ist es egal, ob ein Satz verneint wird oder nicht. Wiederholungen verfestigen eine Falschinformation im Gedächtnis – oder können Sie nicht an einen rosa Elefanten denken?
Statt also Frames zu verneinen, die den eigenen Werten widersprechen, ist es besser, mit den eigenen Werten zu kontern: Also statt Geiz zu bestreiten, lieber den positiven Frame Sparsamkeit betonen. Das gleiche Prinzip steckt übrigens auch hinter offenen Fragen: Sind Migranten kriminell? Unser Gehirn wartet gar nicht erst auf eine Antwort. Allein die gleichzeitige Nennung stärkt die neurologische Verbindung zwischen Kriminalität und Ausländern im Gehirn.
Gibt es sprachlich überhaupt Spielraum, zwischen beiden Positionen zu wechseln?
Zwischen Konservativen und Progressiven liegen, zumindest in den USA, etwa 25 Prozent der Bevölkerung. Die bedienen sich bei beiden Weltbildern. Das ist wie ein Gehirn, das mal so denken kann und mal so – je nachdem, mit welchen Frames man es sprachlich abholt. Und um diese 25 Prozent kämpfen beide Seiten.