Welt der Wunder

Um Gottes Willen: Astrophysiker warnen vor Zombie-Sternen!

Nichts lebt unendlich – selbst Sonnen müssen irgendwann sterben. So dachte man jedenfalls bis heute. Doch deutsche Astrophysiker sind nun auf sogenannte Zombie-Sterne gestoßen: gigantische Untote, die mit ihren zerfetzten Leibern durch die Milchstraße geistern.

Galaxie
Was hat es mit den Zombie-Sternen auf sich? Foto: iStock / Elen11
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Das Heulen der Sterne

Für die Forschung ein echtes Horror-Szenario – denn nach allem, was man über das Universum zu wissen glaubte, sollte so etwas eigentlich unmöglich sein.

Es dauert knapp 26 Minuten, bis das NASA-Röntgenteleskop "NuSTAR" 600 Kilometer über dem Erdboden seinen Detektoren-Arm ausgefahren hat. Es ist nur ein kleiner Moment – doch er öffnet den lang ersehnten Blick auf das in undurchdringliche Dunkelheit gehüllte Ungeheuer im Zentrum unserer Galaxie: das Schwarze Loch namens Sagittarius A – 4,1 Millionen Sonnenmassen schwer und ein gnadenloser Verschlinger von Welten.

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Für die NASA-Forscher ist es der Beginn einer beispiellosen Jagd nach den letzten Geheimnissen in unserem Universum. Und tatsächlich stoßen sie schon kurze Zeit später auf ein mysteriöses Phänomen: ein unbekanntes Strahlenereignis, das so intensiv ist, dass die Astronomen es das als "Heulen der Sterne" bezeichnen.

Zombie-Sterne

Dieser Aufschrei hochenergetischer Röntgenstrahlen ist so rätselhaft, dass sofort ein Forscher-Streit über die Deutung entbrennt. Das Problem: Das sich scheinbar willkürlich durch die Galaxie bewegende Phänomen widerspricht allen Annahmen der Physik. Schnell kommt ein beinahe gruseliger Verdacht auf.

War womöglich eine astro nomische Kreatur für die seltsame Strahlung verantwortlich, die schon lange in unmittelbarer Nachbarschaft zu Sagittarius A vermutet wurde? Ein mythenumwobenes Wort macht plötzlich die Runde: "Zombie-Stern", flüstert man hinter vorgehaltener Hand. Doch was genau meint ein Astrophysiker, wenn er von einer untoten Sonne spricht? Um das zu verstehen, muss man zunächst wissen, wie Sterne überhaupt sterben.

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Video: Xcel Production

Haben Sterne ein Leben nach dem Tod?

Beginnen wir also, wie bei jeder guten Zombie-Geschichte, mit dem Tod – und zwar dem von Sonnen. Über Äonen ernähren sich diese gleißenden Riesen aus den Wasserstoffreserven in ihrem Bauch. Um ihre Körper(außen)temperatur von 5,5 Millionen Grad Celsius zu halten, muss z. B. der Stoffwechsel unserer Sonne (Lebendgewicht: 1,98 Quadrilliarden Tonnen bzw. 332 946 Erdmassen) ständig auf Hochtouren laufen. Man könnte auch sagen, ihr "Kalorienverbrauch" liegt bei 564 Millionen Tonnen Wasserstoff pro Sekunde.

Seit ihrer Geburt vor 4,57 Milliarden Jahren hat unser Heimatstern so in seinem Kern bei 15,6 Millionen Grad Celsius per Kernfusion 14 Erdmassen Wasserstoff in Helium umgewandelt. Das entspricht Schätzungen zufolge mindestens der Hälfte seiner Wasserstoffreserven. Spätestens aber in sieben Milliarden Jahren, wenn alles Brennbare in ihr aufgebraucht ist, haucht die Sonne ihren letzten Atem aus.

Wenn ein Mensch stirbt, startet nach etwa zwei Tagen ein Prozess, den wir als Verwesung kennen, da sich unsere Zellen in Ermangelung von Sauerstoff selbst verdauen (Autolyse). Das kann dauern – je nach Umgebung sind wir aber bis aufs Skelett nach etwa 30 Jahren vollständig verschwunden. Bei Sternen läuft das Leichen-Dasein ganz anders. Denn abhängig von ihrer Masse, verscheiden Sonnen auf völlig unterschiedliche Weise.

Riesen-Sterne, die ursprünglich mehr als zwölf Sonnenmassen (Maßstab ist unsere Sonne) schwer waren, sterben standesgemäß mit dem größten Knall im Universum, der Supernova, und verwandeln sich in ein stellares Schwarzes Loch. Ein mittelgroßer Stern (acht bis zwölf Sonnenmassen) dagegen explodiert zwar ebenfalls in einer Supernova, verdichtet sich danach aber zu einem in seinem Durchmesser gerade noch 20 Kilometer messenden Neutronenstern.

Mini-Sterne wiederum, die weniger als acht Sonnenmassen auf die Waage bringen, sterben dagegen einen vergleichsweise friedlichen Tod: Nachdem ein solcher Winzling ausgebrannt ist, implodiert er und schrumpft auf einen Durchmesser von max. 30 000 Kilometern (unsere Sonne misst 1 391 000 Kilometer im Durchmesser – und ist damit im galaktischen Vergleich ein echter Winzling). Den Rest seiner Existenz fristet dieser Schrumpf-Stern nun als kaum noch leuchtender sogenannter Weißer Zwerg – jedenfalls dachte man das bislang. Deutsche Astrophysiker bewiesen allerdings kürzlich: Es gibt unheimliche Ausnahmen ...

Galaktische Vampire

Sieben Jahre nach der Entdeckung der rätselhaften Röntgenstrahlen durch das "NuSTAR"-Teleskop schien es, als bliebe die Suche nach einem untoten Stern erfolglos. Dann stießen Forscher der Universität Erlangen-Nürnberg um den Astronomen Roberto Raddi 2019 überraschend auf einen echten Zombie. Es war der Beweis dafür, dass Sterne nach ihrem Tod tatsächlich noch einen ganz anderen, sehr dunklen Weg beschreiten können.

Zunächst bedarf es dazu eines Weißen Zwerges – aber nicht irgend eines, sondern eines aus jener seltenen Gattung, die in der Fachwelt als "galaktische Vampire" bekannt sind. Hintergrund: Sterne sind eigentlich gesellige Wesen. In unserer Galaxie ist nur jeder fünfte Stern ein Einzelgänger wie unsere Sonne. Rund 80 Prozent leben dagegen in einer Art stellarer Wohngemeinschaft mit anderen Sternen in sogenannten Doppel- oder Mehrfachsystemen. Und in solchen von enormer Anziehung geprägten Sternen-Beziehungen kann es passieren, dass ein supermassiver Weißer Zwerg aufgrund seiner enormen Gravitationskräfte einen Nachbarstern, der ihm versehentlich zu nahe gekommen ist, Gase absaugt.

Eine Anfang Dezember von Boris Gänsicke von der University of Warwick veröffentlichte Studie zeigt sogar, dass die gierigen Vampir-Zwerge in seltenen Fällen auch großen Planeten Gase absaugen. Das Problem: Durch die zusätzlich aufgenommene Materie kann das empfindliche Masse-Schwerkraft-Gleichgewicht des Weißen Zwergs durcheinander geraten, wodurch er erst implodiert und dann in einer Art Mini-Supernova explodiert. Weiße Zwerge, die bei dieser Explosion nicht vollständig zerstört werden, geistern fortan als zerrissene Zombie-Sterne durch die Galaxie. Und das mit einer ungeheuerlichen Geschwindigkeit …

Wie viele Zombie-Sonnen rasen unentdeckt durch die Galaxie?

Die neu entdeckte Sternenklasse der "Zombie-Sterne" hat sich bislang gut verborgen. Ein Grund, weshalb die untoten Sterne durch sämtliche Suchraster gerutscht sind, könnte ihr Leben als unberechenbare Außenseiter sein. Immerhin umkreisen sie scheinbar nicht – wie sonst für Sterne üblich – in endlosem Gleichmut und erwartbaren Bahnen das Zentrum unserer Galaxie (unsere Sonne benötigt 220 Millionen Jahre für eine Runde).

Ganz im Gegenteil. Der, oder besser gesagt, die nun entdeckten Zombie-Sterne (Raddi und sein Team haben mittlerweile drei dieser Grusel-Sterne identifiziert) bewegen sich mit derart großem Tempo durch den Weltraum, dass sie sogar in der Lage sind, der eigentlich unwiderstehlichen Gravitation von Sagittarius A zu entkommen – und die Milchstraße zu verlassen. Ein Kraftakt, der seit der Geburt unserer Galaxie vor 13,6 Milliarden Jahren noch nicht sehr oft gelungen ist.

Forscher bezeichnen Sterne, die durch eine Supernova auf diese kritische Flucht-Geschwindigkeit von mindestens 600 Kilometern pro Sekunde (entspricht etwa 2,16 Millionen Kilometern pro Stunde) beschleunigt wurde und Höchstgeschwindigkeiten von bis zu 1200 Kilometern pro Sekunde erreichen können, auch als "Hyperschnellläufer" – womit das gruselige Namenskabinett für den einen neu entdeckten, doppelt gestorbenen Vampir-Zwerg-Zombie vorerst sein Ende findet. Bleibt nur eine Frage: Wie viele Zombie-Sonnen rasen unentdeckt durch die Galaxie – und was passiert, wenn eine davon zufällig auf das winziges Sonnensystem mit dem noch kleineren Blauen Planeten trifft? Die Antwort ist eine Entwarnung. Denn tatsächlich ist dieses Risiko so gering, dass sich bislang kein Astronom damit beschäftigt.

Was ist ein Vampir-Stern?

Unsere Sonne ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Außenseiter – und Einzelgänger. Die große Mehrheit der Sterne im Universum leben in einer Art Wohngemeinschaft mit einem oder mehreren Nachbarsternen (Doppel-oder Mehrfachsysteme). In seltenen Fällen kommt es dabei zu einem astronomischen Drama: Kommt ein "normaler Stern" einem supermassiven Weißen Zwerg (ein Kubikzentimeter Materie wiegt ca. eine Tonne) zu nahe, beginnt der kleine Vampir, im großen Stil Gase abzuziehen. Für den Weißen Zwerg – der technisch gesehen bereits der tote Kern eines Riesensterns ist – bedeutet dies eine Art Gnadenfrist. Mithilfe des gestohlenen Gases kann der Vampirstern seinen Fusionsprozess wiederbeleben – und erneut leuchten.

Doch er zahlt einen hohen Preis: Da diese fremdgestarteten Verbrennungsprozesse zu energiereich sind, kommt es auf dem Weißen Zwerg zu einer Nova – einer explosionsartigen Abstoßung seiner Gashülle. Kurz leuchtet der Vampir nun heller als Hunderttausend Sonnen. Überschreitet der Weiße Zwerg dagegen eine kritische Masse, explodiert er in einer Supernova.

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