Steve Ludwin: Warum sich dieser Mann seit 20 Jahren tödliches Schlangen-Gift spritzt!
Steve Ludwin spritzt sich seit knapp 30 Jahren potenziell tödliche Schlangengifte – in immer höheren Dosen und gewagteren Mischungen. Nun könnte man sagen, der Amerikaner will seinem Leben ein Ende setzen. Doch das Gegenteil ist der Fall.
Es ist einer der tödlichsten Cocktails der Welt: Schon wenige Milligramm, injiziert durch einen Biss der Monokelkobra, setzen eine verheerende Kettenreaktion in Gang. Das hochaggressive Neurotoxin verbreitet sich rasend schnell im menschlichen Körper, zerstört großflächig Nervenzellen und frisst zudem das Gewebe von Innen auf. Vor Übelkeit können Gebissene kaum noch klar denken, Gliedmaßen faulen regelrecht ab. Ohne Gegengift kann nach 24 Stunden Höllenqualen bei allen Menschen der Tod durch Atemlähmung eintreten. Bei allen – bis auf Steve Ludwin. Der 50-Jährige hat sich am Morgen eine Dosis Monokelkobra-Gift mit der Spritze in den Arm injiziert – trinkt seinen Kaffee aus und geht am Nachmittag eine Partie Tennis spielen.
Aber wie ist das möglich? Und vor allem: Warum macht ein Mensch sowas? Steve Ludwin spritzt sich seit knapp 30 Jahren die tödlichsten Schlangengifte der Welt. Dabei variiert er die Giftcocktails, mischt Toxine von verschiedenen Schlangenarten zusammen und testet unterschiedliche Dosen. Die Zutaten dafür hat er aus erster Hand. 18 Schlangen besitzt Ludwin. Darunter sind mit Monokelkobra, Baja-Klapperschlange, Greifschwanz-Lanzenotter und Popes-Lanzenotter vier der tödlichsten Arten, die es auf dem Planeten gibt. Um an ihr Gift zu gelangen, melkt Ludwin die Tiere, indem er sie in mit Folie überzogene Schnapsgläser speien lässt. Ludwin ist jedoch weder lebensmüde noch Adrenalinjunkie – tatsächlich hat seine Giftkur einen praktischen Effekt: Mit jeder Spritze und der stetigen sanften Steigerung der Dosis hat der Amerikaner seinen Körper offenbar gegen das Schlangengift immunisiert – und gleichzeitig den Alterungsprozess der Zellen verlangsamt.
Steve Ludwin: Ewig jung?
Wenn Ludwin eine Schlange aus ihrem Terrarium holt, fixiert er ihren Kopf zunächst mit einem Stock und greift dann mit seinen Fingern so hinter ihren Kopf, dass sie ihn nicht beißen kann. Anschließend drückt er ihre Zähne durch die Folie, das Gift tröpfelt in das Schnapsglas. Bereits wenige Gifttropfen einer Bambusotter können einen Menschen töten. Dennoch mixt Ludwin das Sekret mit den Giften von anderen Schlangen zu einem Cocktail. Diesen spritzt er sich unter die Haut. Durch die wechselnde Neurotoxine und erhöhten Dosen wird sein Körper mit jeder Injektion stärker gegen Schlangengift immunisiert
Die Gifte sind für Ludwin quasi wie eine Mischung aus Energy-Drink, Doping und Zeitmaschine. "Eine Stunde bevor ich Tennis spiele, injiziere ich mir eine Mischung aus Kobra- und Klapperschlangengift. Im Spiel fühle ich mich dann wie ein 23-Jähriger", beschreibt er die Wirkung eines Cocktails. Tatsächlich wirkt der Schlangenexperte äußerlich keinesfalls wie 50. Seine Haut zeigt so gut wie keine Alterserscheinungen. Ein Dermatologe attestierte ihm, die Haut eines 20-Jährigen zu haben. Nicht umsonst sind einige Anti-Aging-Produkte in ihrer chemischen Zusammensetzung Schlangengift nachempfunden. Und auch sein Erbgut weißt Verjüngungseffekte nach: "Als ich 42 war, ließ ich meine DNA-Telomere analysieren. Die Ergebnisse waren die eines 22-Jährigen", berichtet Ludwin. Selbst sein Immunsystem scheint extrem gestärkt: "Ich habe seit 13 Jahren keine Erkältung und kein Fieber mehr."
Dass Schlangengift heilen kann, wenn man es gezielt einsetzt, ist unter Forschern Konsens. Professor Ian Smith von der Monash University in Melbourne hat erst in diesem März nachgewiesen, dass die Gifte den Ausbruch von Alzheimer verzögern, indem ihre Moleküle Ablagerungen des Peptids Beta-Amyloid zerstören. Diese werden maßgeblich zum Ausbruch der tückischen Krankheit verantwortlich gemacht. Kein Wunder, dass die Wissenschaft auf den exzentrischen Giftmischer aufmerksam geworden ist. Ludwin arbeitet mit Brian Lohse, Professor an der Universität Kopenhagen, zusammen. Die Antikörper des Schlangenmenschen sollen helfen, wirkungsvollere Gegengifte zu produzieren.
Gift ist immer noch Gift
Dennoch bleibt Ludwins Giftkur ein lebensgefährlicher Drahtseilakt. So unterlief ihm vor Kurzem bei einer Injektion mit drei verschiedenen Schlangengiften beinahe ein tödlicher Fehler, als er die Spritze mit zu großer Wucht durchdrückte: "Als ich den Gift-Cocktail injiziert hatte, wusste ich, dass es bald aus sein könnte. Meine Hand schwoll auf die Größe eines Baseball-Handschuhs an. Ich musste drei Tage auf die Intensivstation und hätte fast meinen Arm verloren. Die Ärzte gaben mir minimale Überlebenschancen." Um Haaresbreite überlebt er – erholt sich von dem Vorfall aber in Rekordzeit: "Die Ärzte sagten, sie hätten noch nie einen so guten Heilungsprozess erlebt." Dennoch weiß Ludwin, dass es ihn bei den Experimenten jederzeit erwischen kann: "Ich halte mich nicht für unbesiegbar – trotz meines Immunsystems.".