Im Rausch der Geschwindigkeit: Männersache beim 24-Stunden-Rennen von Le Mans
Es war ein Jubiläum der Superlative: Das hundertste 24-Stunden-Rennen von Le Mans bot alles auf, was das Herz von Motorsport-Enthusiasten höher schlagen lässt. Männersache war dabei und hat das Spektakel auf sich wirken lassen.
Le Mans: Der Mythos wird 100
Le Mans, ein Rennsportmythos, von dem auch Nicht-Fans bereits gehört haben und der echten Motorsportbegeisterten einen Schauer der Ehrfurcht über den Rücken jagt. Wenn man durch das Paddock geht, wird man den Eindruck nicht los, in Le Mans laufen mehr akkreditierte Journalisten herum, als andere Rennen Zuschauer auf den Tribünen sitzen haben.
Erwartet wurden zum Jubiläumsrennen, dem 100. in der Geschichte Le Mans‘, etwa 350.000 Zuschauer. Es waren am Ende wohl eher 400.000, die auf den Tribünen saßen und rund um den 13,9 Kilometer langen Kurs kampierten. Die sind am Samstag, dem ersten Renntag, gefühlt schon um 10.00 Uhr da, obwohl das eigentliche Rennen erst um 16.00 Uhr beginnt. Wenn NBA-Megastar LeBron James die Fahne schwenkt und damit die blecherne Meute von der Kette lässt.
Vorher wird der Menge aber erstmal ordentlich eingeheizt.
Le Mans 2023: Ein verrücktes Spektakel
Während ich diese Zeilen schreibe, befinde ich mich im Pressezelt von Alpine, der Motorsportmarke von Renault, welches merklich vibriert, wenn die Boliden vorbeigeschossen kommen. Dabei ist es egal, ob es sich um GT, LMP2 oder LMPH (Hypercar-Klasse) handelt, alle Autos scheinen eine Druckwelle vor sich herzuschieben. Fahren sie im Pack, verstärkt sich dieser Effekt nochmals. Tatsächlich ist die Speed atemberaubend und der Sound unfassbar knackig.
Es ist einfach so, dass TV-Aufnahmen diese beiden Punkte aufs Sträflichste kastrieren. Real sind sowohl die Geschwindigkeit als auch die Geräuschkulisse unbeschreiblich viel schneller, beziehungsweise lauter. Was für ein Gesamterlebnis!
Während unten auf dem Track gefahren wird, umrunden diverse Helikopter die Strecke und weil das noch nicht verrückt genug aussieht, starten in diesem ganzen Chaos auch noch die Reichen und Schönen mit ihren Privatjets vom neben der Strecke gelegenen Airport, Flugschneise direkt über dem Racetrack. Irre!
Bildergalerie: Impressionen vom 24-Stunden-Rennen von Le Mans
Was den Reiz von Le Mans ausmacht
Aber natürlich liegt das Hauptaugenmerk auf Selbigem. Und dort wird es gerade in Le Mans immer wieder besonders spannend. Denn der legendäre Track teilt eine Besonderheit mit anderen 24-Stunden-Rennen: Es starten diverse Fahrzeugklassen zusammen, namentlich die oben bereits genannten.
Das führt zu einem auseinander gerissenen Feld, da der Geschwindigkeitsüberschuss gerade der LMP2 und LMPH gegenüber den GT enorm ist. Als Folge gibt es eine Menge Überholmanöver mehr als beispielsweise in der Formel1, wo nur ein Drittel der Wagen antreten (20 gegenüber 60 in Le Mans) und alle dabei aus der gleichen Fahrzeugklasse stammen.
Witterung, Dunkelheit und Geschwindigkeitsunterschiede
Dieser Mix ist nicht ganz ungefährlich und kann auch schon ohne witterungsbedingte Kapriolen wie beispielsweise Starkregen zu gefährlichen Situationen führen. Und natürlich kommt bei einem 24-Stunden-Rennen irgendwann noch die Dunkelheit dazu. Aber genau das alles macht natürlich auch den Reiz dieses Mega-Events aus.
Von der Gefährlichkeit des Regens konnte bereits am Samstag ein guter Nachweis geliefert werden. Als es auf Teilen der Fahrbahn durch sturzflutartig einsetzenden Regen zu heftigem Aqua Planing kam, drehten sich die Fahrzeuge reihenweise in einem fast schon ballettartigen Tanz von der Strecke, was das Klassement einmal mehr kräftig durcheinander wirbelte. Einen Eindruck vermittelt der folgende kurze Rennausschnitt.
Die Teams und das Rennergebnis
Ohne zu weit in die Nerd-Tiefe abzugleiten, kann festgehalten werden, dass es an der Spitze des Feldes die meiste Zeit Toyota und Ferrari untereinander ausfochten. Ein paar Runden lang führte auch ein Peugeot, fiel dann aber wieder zurück, ebenso wie einer der angetretenen Porsche (am Ende Platz 9). Das Rennen war geprägt von vielen Gelbphasen und direkt am Anfang, noch vor dem Ende der ersten Runde, musste das Safetycar ran, weil ein Cadillac einen beidseitig unliebsamen Kontakt mit der Streckenbegrenzung herstellte.
Am Ende gewann dann der Ferrari mit der Startnummer 51, gefahren von Alessandro Pier Guidi, James Calado und Antonio Giovinazzi, mit 342 Runden, vor dem Toyota mit der Startnummer 8 (Ryo Hirakawa/Brendon Hartley/ Sebastien Buemi), 1:21,793 Minuten dahinter und dem Cadillac Nummer 2 (Earl Bamber/Alex Lynn/Richard Westbrook), eine Runde dahinter.
Fazit und Ausblick
Das legendäre Rennen ist zum 100. Mal zu Ende, die Fans sind erschöpft, aber glücklich. Bleibt noch die Aussicht auf das nächste Jahr, wenn zum 101. Rennen gebeten wird, hier auf Circuit de Le Mans, im Herzen Frankreichs, zwischen Paris und Nantes. Werden Ferrari und Toyota weiter dominieren? Schlägt Porsche zurück? Oder gibt es möglicherweise einen Geheimfavoriten, den niemand auf der Rechnung hat? Bedenken wir, dass Alpine, die Motorsportmarke von Renault erst kürzlich sein neues Hypercar vorgestellt hat und damit 2024 ins Renngeschehen eingreifen und gnadenlos attackieren wird.
Das Jubiläumsrennen ist vorbei, die Atmosphäre war überirdisch. Man muss mindestens einmal dabei gewesen sein, um die Faszination dieses Events zu verstehen. Spätestens, wenn man direkt am Zaun der Strecke steht oder auf einer angrenzenden Terrasse Platz nimmt und die Einführungsrunde in einen fliegenden Start übergeht, kapiert man, wo das kindliche Grinsen eines Jeden herkommt, der auch nur einen Hauch Interesse für Motorsport hat.
Es ist nur unzureichend in Worten zu kleiden: Dieser Sound, die Lautstärke, die Zeichensprache unter den Fans notwendig macht, auch wenn sie direkt nebeneinander stehen, die Vibrationen, die Geschwindigkeit, die Überholmanöver, schließlich auch die Menge der Zuschauer – der Gesamteindruck ist einfach überwältigend.
Liebe Boliden: Bis nächstes Jahr, wenn der Irrsinn vor vorne beginnt.