Führt mein Smartphone ein Doppelleben?
Wenn wir schlafen, dann werden moderne Telefone erst so richtig wach: In der Nacht senden die Geräte unsere privaten Daten an Marktforschungsfirmen – ohne dass wir es mitbekommen …
Kennen Sie Unternehmen wie "Amplitude", "Demdex" oder "Appboy"? Nun, dafür kennen diese Unternehmen Sie aber ganz genau: Die Firmen wissen nicht nur Ihre Telefonnummer, E-Mail-Adresse oder wie es auf Ihrem Smartphone so aussieht. Auch wie lange Sie sich in Kneipen aufhalten oder welche Ärzte sie aufsuchen, bleibt ihnen nicht verborgen.
Je mehr Information, desto besser – denn davon leben die Datenhändler: Ein möglichst vollständiges Profil Ihres Lebens ist mehrere Hundert Euro wert. Ein iPhone versendet im Schnitt alle 24 Stunden rund 50 Megabyte Daten. Zum Vergleich: Diese Menge entspricht vom Umfang her mehr als dem Elffachen der Bibel – und das, wie gesagt, jeden Tag. Kein Wunder, dass der Datentransfer bevorzugt nachts stattfindet. Im Alltag würde er das Telefon merklich ausbremsen.
Tausende Datendiebe pro Woche
Dokumentiert hat das der ehemalige NSA-Forscher Patrick Jackson. Mit einem eigens dafür entwickelten Analyse-Programm spürte er die sogenannten Tracker systematisch auf. Sie gelangen beim Herunterladen von Programmen aus dem App Store von Apple oder Play Store von Google unbemerkt auf ein Smartphone – und zwar tausendfach, wie Jackson nachgewiesen hat. Innerhalb einer Woche enttarnte er 5400 Tracker allein auf einem einzigen iPhone.
Bei konkurrierenden Android-Geräten ist die Situation ähnlich: So fanden französische Sicherheitsforscher heraus, dass manche Anwendungen wie etwa die Eurosport-App fast 40 unterschiedliche Tracker enthalten. "Das sind Ihre Daten. Warum sollten sie Ihr Telefon verlassen? Warum sollte jemand diese Daten erhalten, obwohl Sie gar nicht wissen, was der damit macht?", kritisiert Jackson. Tatsächlich wissen Außenstehende nicht wirklich, wohin die Daten letztendlich gelangen und was damit geschieht.
Lässt sich die Datenspionage verhindern?
Beim iPhone hilft die Deaktivierung der Option "Hintergrundaktualisierung von Apps". Ab Werk ist dieses Häkchen gesetzt und ermöglicht überhaupt erst den nächtlichen Datentransfer. Zudem gibt es in Apples App Store auch Programme, die Tracker enttarnen und blockieren können. Bei Android-Geräten sind Gegenmaßnahmen schwieriger. So ist nicht nur das Einschränken des Datenabflusses aufwendiger, der Play Store von Google verbietet auch entsprechende Software zum Enttarnen von Trackern.
Anti-Tracker-Programme sind zwar in alternativen Quellen verfügbar, deren Installation erfordert aber ein gewisses technisches Wissen. Skepsis beim Herunterladen von Apps ist also angebracht. Als Faustregel gilt: Je mehr Apps, desto öfter sind fremde Augen und Ohren auf das eigene Smartphone gerichtet …
(Fun-) Facts zur Smartphone-Spionage
- 80 PROGRAMME – besser bekannt als Apps – haben deutsche Nutzer durchschnittlich auf ihren Mobilgeräten installiert. Tatsächlich regelmäßig genutzt werden davon aber nur gut die Hälfte. Die Schläfer sind ein unnötiges Risiko, denn Apps dienen Schnüfflern häufig als ein Einfallstor.
- 250 MILLIARDEN US-DOLLAR Umsatz macht Werbung im Internet pro Jahr. Um Konsumenten zielgenau an Werbetreibende vermitteln zu können, sammeln sogenannte Werbenetzwerke (u. a. von Google oder Apple) möglichst viele Informationen. So liefern etwa 40 Prozent aller kostenlos bei Google Play erhältlichen Programme sogar Daten an Facebook – selbst wenn der betreffende Kunde gar kein Facebook-Konto hat.
- 9 SENSOREN oder mehr stecken in modernen Telefonen. Sie können Entfernungen, Temperaturen oder das Magnetfeld messen. Über Neigungs-, Rotations- und Beschleunigungssensoren lässt sich der Weg des Benutzers selbst bei ausgeschaltetem GPS nachverfolgen.
- 5400 SPIONAGE-WERKZEUGE – sogenannte Tracker – hat ein US-Forscher auf einem einzigen iPhone in einer Woche entdeckt. Die Tracker senden Nutzungsdaten an meist anonym bleibende Unternehmen, die diese zu detaillierten Nutzerprofilen verdichten