Die Diesel-Akte: Warum werden die größten Feinstaubschleudern verschont?
Am 31. Mai 2018 trat in Hamburg das erste Dieselverbot Deutschlands in Kraft. Doch die wahren Luftverschmutzer sind nicht die Autos.
Erstes Dieselverbot in deutschen Städten
Bis hierhin und nicht weiter – heißt es seit dem 31. Mai 2018 für Tausende Autofahrer, die die Max-Brauer-Allee in Hamburg passieren wollen. Das erste Dieselfahrverbot Deutschlands soll den Stickstoffdioxidausstoß vor Ort reduzieren und die Luft für die 272 Anwohner der Straße verbessern.
Fakt ist jedoch: Durch die Verbotszone werden Zehntausende Pendler gezwungen, Umwege durch die Stadt zu fahren, wodurch Tausende Anwohner anderer Straßen nun mehr Feinstaub einatmen als zuvor. Dabei gäbe es eine wesentlich effektivere Maßnahme, um die Stickstoffdioxidbelastung durch Dieselabgase in Hamburg zu reduzieren. Tatsächlich liegt die Lösung des Problems sehr nahe – 900 Meter, um genau zu sein: auf der Elbe.
Die wahren Luftverschmutzer
Wie auch in etlichen anderen Hafenstädten Europas laufen in Hamburg jeden Monat neben Hunderten Containerriesen auch gigantische Kreuzfahrtschiffe ein – und sie alle fahren mit Schweröl. Die größten von ihnen, zum Beispiel die 370 Meter lange "Symphony of the Seas", verbrennen von dem giftigen Reststoff aus der Ölproduktion bis zu 150 Tonnen pro Tag. Dies bedeutet, dass täglich rund 450 Kilo Feinstaub die Schornsteine eines Kreuzfahrtriesen verlassen.
Zum Vergleich: Das entspricht etwa dem Ausstoß von 21,45 Millionen Dieselfahrzeugen vom Typ VW Passat Variant. Zwar könnten mittlerweile manche Häfen wie der Hamburger Hafen zumindest in der Liegezeit der Schiffe die Ozeanriesen mit Landstrom versorgen, sodass die Dieselgeneratoren nicht durchgehend laufen müssten. Doch viele Reeder verzichten auf den teureren Landstrom. So verpesten die Schiffe die Städte mit Stickoxiden (NOx) – fünf Tonnen NOx am Tag entsprechen dem Ausstoß von 1,42 Millionen VW Passat.
Abgasrichtlinien für Schiffe? Unmöglich!
Warum aber verschont die Politik die Schiffe vor Diesel-Auflagen – während für Millionen Autofahrer Fahrverbotszonen eingerichtet werden? Dass sich die Schifffahrt so erfolgreich gegen Umweltauflagen wehren kann, liegt vor allem an ihrer Internationalität. Im Gegensatz zum Straßenverkehr, wo jede Stadt ihre eigenen Verbotszonen und Abgasrichtlinien festlegt, können Grenzwerte für die Ozeanriesen nur global durchgesetzt werden, und das ist aufgrund der unterschiedlichen Interessenlagen extrem schwierig.
Ein weiterer möglicher Grund für den Freifahrtschein für die schwimmenden Feinstaubschleudern: Kaum ein Tourismusbereich ist so lukrativ wie die Kreuzfahrtindustrie. Jeden Tag spülen die Schiffe Hunderttausende Touristen in die Städte.