"Dr. Z": Der Mann, der jeden Monat eine neue Droge erfindet!
Dr. Z ist der weltweit wohl produktivste Designer legaler Drogen. Sein Geheimnis: sie schneller erfinden, als die Behörden sie verbieten können. Doch wie gefährlich sind die Stoffe des Biochemikers wirklich? Und wie funktioniert der Weltmarkt der sogenannten Legal Highs?
Baxter zieht die Nadel aus seinem Arm und wartet. "Jetzt kommt erst mal der schlimme Teil." Er kippt zur Seite weg, verzieht das Gesicht wie unter Schmerzen und hält sich den Arm. Er sieht aus, wie man sich einen schwer Drogensüchtigen vorstellt: extrem blass, dürr und mit dunklen Augenringen. Sein Blick wirkt verloren, und auf seinen Armen wimmelt es nur so von verschorften Wunden. Doch trotz seines verwahrlosten Äußeren schreit er Minuten später mit lallender Stimme: "Ich bin so glücklich, so glücklich." Dabei lacht Baxter schrill, wiegt sich hin und her.
Der Brite aus der Kleinstadt Redcar erlebt gerade seinen Lieblingsrausch, ausgelöst durch 2-MeO-Ketamin. Diese Substanz berauscht fast wie das Narkosemittel Ketamin, auch die Nebenwirkungen wie Übelkeit, Organschäden und Psychosen sind ähnlich. Es gibt nur einen Hauptunterschied: 2-MeO-Ketamin ist legal, Ketamin nicht.
Was ist eine legale Droge?
Legal Highs sind Stoffe, die die Wirkung von bekannten illegalen Drogen wie Kokain, Heroin oder Marihuana imitieren. Ihr chemischer Aufbau unterscheidet sich oftmals nur geringfügig vom Original. Doch das reicht aus, damit diese Stoffe nicht unter die Drogengesetzgebung fallen und somit auch nicht offiziell verboten sind - weder der Handel noch der Konsum unterliegen dem Betäubungsmittelgesetz. Noch nicht.
Für Dr. Z ist das spätestens der Moment, eine neue Formel zu finden. Der Pharmakologe gehört zu den bekanntesten Insidern einer boomenden In dustrie, deren Verkaufsschlager sich hinter so komplizierten Bezeichnungen wie 5-FAKB48, Methiopropamine und eben 2-MeO-Ketamin verbergen. Dr. Z hält seinen wahren Namen geheim, wirbt aber für seine Produkte: "Gesunde, erwachsene Menschen sollten eigene Entscheidungen treffen können." Vor Jahren forschte er noch für ein inter nationales Pflanzensamen-Unternehmen. Heute pendelt er zwischen den Niederlanden und Israel und entwirft nur noch neue Drogen.
Sein größter Erfolg war die Substanz Mephedron, die bis zu ihrem Verbot 2010 Europa gerade zu überschwemmte. Dr. Z arbeitete da schon längst wieder an seinem nächsten großen Ding: "Ich habe bis jetzt etwa 50 psychoaktive Substanzen entwickelt."
Dr. Z, der Godfather of Legal Highs
Dr. Z sieht sich als Forscher. "Sobald ich eine neue Substanz entdecke, will ich sie mit der Welt teilen. Vorher probiere ich sie in mikroskopisch kleinen Dosierungen an mir selbst aus. Ich will nicht, dass andere Leute meine Versuchskaninchen sind", sagt er. Aber in Wahrheit sind sie genau das.
Denn mit ein paar Selbsttests lässt sich nach Expertenmeinung nicht das Gefahrenpotenzial einer unbekann ten Substanz abschätzen. Nicht umsonst muss die Pharmaindustrie teilweise jahrelang und mit Tausenden Probanden neue Wirkstoffe testen.
Der Gebrauch von Legal Highs bleibt in jedem Fall ein Risiko: Viele der heute als höchst bedenklich eingestuften Drogen wie LSD galten einst als ungefährlich und waren sogar als Medikamente erhältlich. Und das ist auch für neue Substanzen zu erwarten. "Legale Drogen verursachen mindestens so viel Schaden wie illegale", sagt Wim van den Brink, Professor für Psychiatrie und Sucht an der Universität Amsterdam. Und der britische Toxikologe John Ramsay bestätigt, dass oft nur wenige Atome das illegale Original von der legalen Kopie unterscheiden.
Legal Highs: das Schlupfloch im System
Nehmen wir als Beispiel Methylamphetamin. Das ist der Wirkstoff von Crystal Meth, einer der gefährlichsten und am schnellsten süchtig machenden synthetischen Drogen. Auch in Deutschland befindet sie sich auf dem Vormarsch.
"Eine minimale molekuläre Änderung reicht aus, um aus Methylamphetamin einen Stoff namens Methiopropamin zu machen. Die Wirkung bleibt gleich, auch das große Suchtpotenzial ist ähnlich. Die Substanz selbst ist bis heute aber gesetzlich nicht reguliert", erklärt Ramsay.
Er arbeitet in Großbritannien als eine Art Drogenjäger für das St George's Hospital in London. Er informiert die Regierung jedes Mal, wenn eine neue Substanz auf den Markt kommt. Und das passiert inzwischen häufig. In seinem Büro steht die landesweit größte Sammlung an Legal Highs - derzeit sind es über 30.000 Substanzen. Nach seinem Hinweis dauert es im Schnitt ein Jahr, bis ein Stoff auf die schwarze Liste kommt.
Und so geht das Katz-und-Maus-Spiel immer weiter: Jedes Mal, wenn eine Regierung eine Substanz verbietet, werfen Pharmakologen wie Dr. Z eine neue Version der verbotenen Substanz auf den Markt. "Das Gehirn wird von 500, vielleicht auch mehr körpereigenen Stoffen beeinflusst", erklärt Dr. Z. "Es ist sehr wahrscheinlich, dass jede einzelne dieser Chemikalien bis zu 1000 verschiedene Varianten hat - die kann man alle erforschen."
Drogenkonsum wie russisches Roulette
Das Angebot wechselt ständig: Oft werden unter einem Markennamen wie "Spice" Hunderte Varianten verkauft. Für Nutzer ist es deshalb sehr schwer festzustellen, was sie wirklich gerade einwerfen - und vor allem, wie viel davon noch okay ist.
"Die Konsumenten kennen die richtige Dosis oft nicht und nehmen zu viel", so Ramsay.
Denn die Hersteller von Legal Highs liefern im Gegensatz zur Pharmaindustrie keinen Beipackzettel zu ihren Produkten mit. So bleiben oft nur Internetforen als Informationsquelle oder das Trial-and-Error-Prinzip - und das kann gefährlich werden: "In Deutschland gab es in den vergangenen Jahren eine große Zahl an Drogenvergiftungen", erklärt Volker Auwärter, Forensischer Toxikologe am Universitätsklinikum Freiburg. "Einige davon waren tödlich."
Konsumenten wie Baxter werden von den Nebenwirkungen jedoch nicht abgeschreckt. Die Drogen sind legal und, da gerade erst entwickelt, bei Blutkontrollen schwer nachzuweisen. Die Nachfrage bleibt in der Praxis das einzige Regulierungsinstrument - und bis zu einem gewissen Grad ist das sogar gewollt, so Ramsay.
"Würden wir vorsichtshalber alle neuen Substanzen verbieten, kämen immer mehr experimentelle Mittel auf, deren Wirkung noch viel unvorhersehbarer wäre." Baxter wäre dann vielleicht längst tot.
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