Was macht Carl Lewis heute?
Carl Lewis war ein Ausnahme-Leichtathlet. Am Ende seiner Karriere stehen neun olympische Goldmedaillen und acht Weltmeistertitel. Was macht Carl Lewis heute?
Carl Lewis: Start mit Boykott
Frederick Carlton Lewis wird am 1. Juli 1961 in Birmingham, Alabama (USA) geboren. Schon früh zeigt sich sein Talent im Sport und dort speziell in der Leichtathletik.
Sein erster großer Auftritt soll bei der Olympiade 1980 in Moskau erfolgen, die durch den Boykott des US-Teams jedoch verhindert wird.
Vier Jahre später wird es dann aber auf spektakuläre Weise mit dem olympischen Auftritt klappen. Auf heimischem Boden in Los Angeles gewinnt Lewis sowohl die 100 Meter, die 200 Meter, holt Gold mit der 4x100-Meter-Staffel und im Weitsprung.
Damit gelingt ihm das gleiche Kunststück wie zuvor seinem großen Vorbild Jesse Owens 1936 in Berlin. Bis heute wurde diese Leistung nicht mehr wiederholt, da ein gewisser Usain Bolt aus Jamaika zu seiner Zeit nicht am Weitsprung teilnahm.
Carl Lewis bei Olympia
Carl Lewis ist eine Ausnahmeerscheinung: 1,88 groß, 80 Kilogramm schwer und hochtalentiert. Mit diese Werten hält er zwischen 1983 und 1996 seine Konkurrenten auf Distanz und dominiert im Sprint über 100 und 200 Meter sowie im Weitsprung fast nach Belieben.
Nach dem Triumph von Los Angeles ist Lewis mit 23 Jahren bereits auf dem Olymp angekommen. Im Weitsprung wird er bis zur legendären Begegnung mit Mike Powell im Jahr 1991 ungeschlagen bleiben.
Bei seinem nächsten olympischen Auftritt 1988 in Seoul, Südkorea, konnte er das sagenhafte Kunststück der vier Goldmedaillen jedoch nicht wiederholen und musste sich mit zweimal Edelmetall zufriedengeben.
Und fast wäre es "nur" eine geworden, denn der 100-Meter-Sprint wurde vom später überführten Doping-Sünder Ben Johnson aus Kanada gewonnen. Dessen Disqualifikation bedeutete für den zweitplatzierten Lewis dann doch noch den erneuten olympischen Triumph über die Sprintstrecke.
Die andere beiden potenziellen ersten Plätze wurden jeweils durch Landsmänner vereitelt: Den 200-Meter-Lauf gewann Joe DeLoach, die Staffel wurde nach einem Wechselfehler disqualifiziert.
Dennoch zeigt sich, welch gutes Pflaster die Olympischen Spiele für Carl Lewis sind. Als er wieder vier Jahre später, 1992 in Barcelona, antritt, hat eine Erkrankung im Vorfeld der Spiele eine Qualifikation in den Sprintstrecken über 100 und 200 Meter unmöglich gemacht.
Lewis wahrt aber seine anderen beiden Chancen und gewinnt erneut den Weitsprung und auch mit der Staffel. Diese führt er als Schlussläufer sogar zu einem neuen Weltrekord.
1996 tritt Lewis zu seiner vierten Olympiade an und gewinnt tatsächlich erneut Gold im Weitsprung. Eine Disziplin in vier Olympiaden zu gewinnen war zuvor nur dem Diskuswerfer Al Oerter gelungen. Damit hat er nach vier Olympiaden in zwölf Jahren neunmal olympisches Gold geholt. Eine Ausnahmeleistung.
WM 1991: Kampf der Weitsprung-Giganten
Ganz nebenbei besiegt Carl Lewis in Barcelona den Mann, der ihm seine einzige Weitsprung-Niederlage bei großen Veranstaltungen zufügt: Mike Powell.
Als die beiden US-Amerikaner im Zuge der Leichtathletik-Weltmeisterschaft 1991 in Tokio aufeinandertreffen, ahnt noch niemand, dass es der Weitsprung sein wird, der nachher im Mittelpunkt und schon bald in den Geschichtsbüchern des Sports stehen wird.
Es sollte die legendäre Weltrekordmarke Bob Beamons von 8,90 Meter fallen, die er 1968 bei den Olympischen Spielen in Mexiko-Stadt aufgestellt hatte – und das gleich zweimal.
Lewis ist voll in seinem Element. Er springt die beste Serie, die je ein Weitspringer erzielt hat, beginnt gleich mit einem Satz auf 8,68 Meter, während Powell mit 7,85 Meter deutlich dahinter bleibt.
Auch der deutsche Teilnehmer Dietmar Haaf, der später Vierter werden soll, überflügelt ihn mit 8,01 Meter mühelos. Der zweite Versuch gelingt besser, Powell springt 8,54 Meter, Lewis‘ zweiter Sprung ist ungültig.
Die anderen können schon jetzt nicht mehr mithalten, es läuft alles auf einen Zweikampf Lewis vs. Powell hinaus. Der dritte Durchgang bestätigt das. Powell springt eine solide 8,29 Meter, während Lewis nochmal einen draufpackt und bei überragenden 8,83 Meter landet.
Spätestens jetzt knistert es im Publikum und nicht nur im Stadion fragt man sich, ob heute hier und jetzt der Uralt-Weltrekord von Bob Beamon geknackt werden könnte.
Im vierten Durchgang patzt Powell und Lewis legt nochmal eine Schippe drauf. Mit 8,91 Meter übertrifft er tatsächlich Beamons legendären Sprung um einen Zentimeter: Neuer Weltrekord! Die Zuschauer sind begeistert, Lewis außer sich und Powell scheint zu ahnen, dass er gegen den großen King Carl hier nur Zweiter werden kann.
Direkt darauf aber die schlagartige Ernüchterung: Zuviel Rückenwind, Versuch ungültig, kein Weltrekord. Dann folgt der legendäre fünfte Durchgang.
Larry Myricks, ein weiterer US-Amerikaner, springt sich mit soliden 8,42 Meter auf den dritten Platz. Carl Lewis, von seinen vielen guten Weiten und vor allem dem soeben geknackten Weltrekord beflügelt, springt erneut weit, bis auf 8,87 Meter – was für eine Konstanz.
Jetzt setzt Mike Powell an, konzentriert sich, fokussiert, den Blick starr auf die Anlaufbahn zu seinen Füßen gerichtet. Er schaukelt sich auf, eine letzte Biegung nach hinten, dann schnellt er wie von einem Katapult geschossen nach vorne, wird immer schneller, mit großen Schritten nähert er sich dem Absprungbalken, trifft ihn gut, hebt ab und springt.
Der Versuch ist gültig. Alle sehen, dass das ein weiter Sprung war, sehr weit, extrem weit. Aber wird es reichen, den ungekrönten König dieser Disziplin zu schlagen, den Mann, der gerade den Uralt-Fabelweltrekord gebrochen hat, wenn auch mit zu viel Rückenwind? Powell hält den Atem an, die Zuschauer drängen auf die Bekanntgabe des Messergebnisses, das lange auf sich warten lässt. Dann steht es plötzlich auf der Anzeigetafel.
8.95 Meter.
Das Stadion explodiert. Damit hat niemand gerechnet, gerade erst hätte Lewis fast den Weltrekord gebrochen, verdammter Rückenwind, und jetzt das!
Powell fast sich an den Kopf, während er herumhüpft wie ein Rumpelstilzchen, noch gar nicht ganz realisierend, was da gerade passiert ist. Alle im Stadion scheinen sich die Seele aus dem Leib zu schreien, gleichzeitig klatschen sie, von japanischer Zurückhaltung nichts mehr zu spüren. Wie auch, angesichts dieses epochalen Sportereignisses, dieses Wettkampfs der Giganten?
Der König ist tot, lang lebe der König! Zumindest für diesen denkwürdigen Abend 1991 in Tokio.
Es dauert lange, bis wieder Ruhe einkehrt und der Wettbewerb fortgesetzt werden kann, immerhin steht noch ein Durchgang aus und bei der Beständigkeit, mit der Carl Lewis hier springt, ist immer noch alles möglich.
Powell ist fertig mit den Nerven, kann nicht mehr nachlegen, springt ungültig, aber Lewis konzentriert sich noch einmal. Er ist der Weitsprung-Champion, er hat alle Sprünge in Weltrekord-Schlagdistanz absolviert, prinzipiell den Rekord auch geknackt, der jetzt schon keiner mehr ist. Er hat noch einen Versuch.
Der Sprung ist gut, er ist sogar sehr gut. Noch einmal zeigt Lewis, warum er der konstanteste und wohl auch beste Weitspringer der Welt ist. Er landet bei stolzen 8,84 Meter.
Das ist beeindruckend und wurde in dieser Leistungsdichte nie wieder erreicht. Lewis hat alles gegeben, sein persönlich bestes Ergebnis erreicht, aber Weltmeister wird doch ein anderer.
Lewis: Dopingverdacht
2002 kommt ein böser Verdacht auf: Hat 1988 nicht nur Ben Johnson, sondern auch Carl Lewis gedopt? Wie sich herausstellt, wurden damals gleich drei verbotene Substanzen im Rahmen eines Dopingtests bei ihm festgestellt: Ephedrin, Pseudoephedrin und Phenylpropanolamin.
Das zuständige Olympische Komitee der USA ordnete jedoch keine für einen solchen Fall vorgesehene Sperre des Athleten an, sondern verschwieg dem IOC vielmehr den Fall, sodass Lewis in Barcelona an den Start gehen konnte.
Was macht Carl Lewis heute?
Lewis ist politisch aktiv. 2011 bemüht er sich als demokratischer Kandidat um einen Platz im Senat von New Jersey, wird aber von Gerichten zurückgepfiffen.
Da er in Kalifornien wohne, dürfe er nicht für New Jersey kandidieren. Eine Regel besagt, dass Bewerber mindestens die letzten vier Jahre vor einer Kandidatur in besagtem Bundesstaat wohnen müssen.
Von dieser Mechanik im Politikgeschäft offensichtlich angewidert zieht Lewis seine Kandidatur zurück und begräbt alle weiteren politischen Pläne.
Mittlerweile kümmert er sich um den Sprint-Nachwuchs. Er ist Assistenz-Trainer an der Universität von Houston, sein direkter Chef pikanterweise Leroy Burrell, ein großer Sprint-Konkurrent von damals.
Als Trainer ist er unerbittlich und korrigiert auch kleinste Ungenauigkeiten im Bewegungsablauf der Nachwuchssportler. Er nennt das "The Perfect Method" und das Ziel ist klar definiert:
Wenn das jemand wie Lewis sagt, dann kann man sich darauf verlassen, dass es an zukünftigen Sport-Spektakeln nicht mangeln wird.