Tabus der Weltgeschichte

"Der Bluthund" Alois Brunner und die Naziakte des BND

New York, 2001: Zwei Flugzeuge rasen ins World Trade Center, kurz darauf ruft George W. Bush den Krieg gegen den Terror aus. Dagegen scheint das, was im selben Jahr in Damaskus geschieht, wie eine Randnotiz: Eines Morgens wird auf dem Friedhof Al Affif ein "Doktor Georg Fischer" bestattet. Hinter dem Decknamen verbirgt sich aber einer der größten Massenmörder der Geschichte – der frühere SS-Mann Alois Brunner, genannt "der Bluthund".

Alois Brunner
Alois Brunner Foto: Getty Images
Auf Pinterest merken

Alois Brunner, "der Bluthund"

Die rechte Hand von Adolf Eichmann war für die Ermordung von mindestens 128 500 Juden verantwortlich. Doch während Eichmann um die halbe Welt gejagt und später gehängt wurde, konnte Brunner jahrzehntelang unbehelligt in Damaskus seinen Lebensabend genießen. Wie war das möglich?

Der Autor Christian Springer hat Nachforschungen angestellt und ist dabei auf ein Tabu gestoßen, das noch immer kaum jemand anzusprechen wagt: Brunner hatte nach dem Krieg mächtige Helfer – das braune Netzwerk reichte bis ins Auswärtige Amt, in den Bundesnachrichtendienst und in die Medien. Trotz Haftbefehls findet er so dank der Hilfe von Nazi-Veteranen, die nach dem Krieg in der BRD Karriere gemacht haben, Zuflucht in Ägypten, ehe er mit dem Pass eines früheren SS-Kameraden, Dr. Georg Fischer, nach Syrien übersiedelt.

Wie Alois Brunner das moderne Syrien schuf

In Damaskus zeigt Brunner dem späteren Präsidenten Hafiz al-Assad, wie man einen Polizeistaat aufbaut, er bildet Geheimdienstleute aus, bringt ihnen die Foltermethoden der Nazis bei. Im Gegenzug wird er vom Regime bezahlt; er bezieht ein Haus im Diplomatenviertel, vor dem Männer mit Kalaschnikows wachen. Von den Bonner Nahost-Vertretungen hat er nichts zu befürchten – der Generalkonsul in Damaskus war am Holocaust in Bratislava beteiligt, der Botschafter im Libanon an der Judenverfolgung in Monaco.

Wo man auch nach Brunner fragt – Schweigen. Aus gutem Grund: Geheimakten offenbaren, dass das Auswärtige Amt all die Jahre Kontakt zu ihm hatte, ihm immer wieder half – etwa um seinen Pass zu verlängern. Beim BND existierte eine knapp 600-seitige Brunner-Akte, ehe sie Mitte der Neunziger Jahre spurlos verschwand.

Christian Springer begreift schließlich, dass er nur in Syrien Antworten finden wird. Immer wieder reist er nach Damaskus, doch die deutsche Botschaft dort reagiert zunehmend gereizt auf seine Fragen: "Brunner ist tot, verstehen Sie das endlich!"